The hate u give von George Tillman jr. USA, 2018. Amandla Stenberg, Regina Hall, Russell Hornsby, K. J. Apa, Common, Anthony Mackie, Algee Smith, Lamar Johnson, TJ Wright, Sabrina Carpenter, Dominique Fishback, Issa Rae
Okay, ich hab’s mir nochmal überlegt, hab mir einen Ruck gegeben, weil direkt nach Filmende war ich eigentlich gar nicht sooo zufrieden, aber ein paar Stunden und etwas Nachdenken später gefällt er mir doch ziemlich gut. Ich musste bloß erst mit der Einsicht fertig werden, dass sich der Film wie auch schon die Buchvorlage eher oder auch an ein jugendliches Publikum richtet, und das merkt man hier und da schon deutlich. Ein bisschen viel Pathos und Pädagogik am Schluss, ein bisschen zuviel Happy End für meinen Geschmack, und im Off-Kommentar ein paar zu viele feierliche Sätze, aber sowas gehört halt auch zu Hollywood und zu einem Film, der einen ebenso aktuelle wie wichtige Botschaft vermitteln möchte. Auf der anderen Seite ist dies eben ein Film mit einem Anliegen, und das verkündet er mit enormer Leidenschaft und enormem Engagement, und wenn ich mal so sehe, was sonst auf die Kids losgelassen wird, ist „The hate u give“ eine absolute Ausnahmeerscheinung und von daher schon aller Ehren wert.
Schon als kleine Kinder kriegen Starr und ihre Brüder Seven und später auch Sekani von ihrem Dad Maverick die zehn Gebote der Black Panthers eingetrichtert, so lange, bis sie sie auswendig können und zwar noch viele Jahre später. Und vermutlich wird ihr das sogar das Leben retten. Dad, der selbst im Knast gesessen und lange genug gegen das System gekämpft hat, will, dass seine Kinder aus dem verrufenen Viertel von Garden Heights rauskommen und schickt sie deshalb zu einer anderen, einer mehrheitlich weißen Schule. Starr ist fest entschlossen, sich dort einzufügen, akzeptiert zu werden, keinen Ärger zu kriegen, und deshalb zeigt sie ein ganz anderes Gesicht als zuhause, gibt sich freundlich, fast devot, sanft und gefällig und verachtet sich nach Schulschluss dafür. Sie hat einen netten weißen Freund, der keine Ahnung hat, in welchem Milieu sie eigentlich lebt, und sie hat sich ein paar nette weiße Freundinnen zugelegt, denen sie auch nur ihr braves, angepasstes Gesicht zeigen darf, um diese Freundschaft nicht aufs Spiel zu setzen. Eines Abends passiert es dann. Auf einer Party trifft sie Khalil, mit dem sie schon als ganz kleines Kind eng befreundet war, und als es plötzlich Ärger und Geballer gibt, fährt er sie im Auto nach Hause. Unterwegs werden sie von einem weißen Cop angehalten, und der ist ziemlich nervös, und als Khalil ein bisschen aufmüpfig reagiert, wird er noch nervöser, und als Khalil schließlich ins Auto greift und eine Haarbürste rausholt, knallt er ihn einfach ab. Für Starr beginnt ein dramatischer Prozess der Politisierung und sie wird eine Menge über die Regeln zwischen Weiß und Schwarz, aber auch im schwarzen Viertel selbst lernen. Die Medien bauschen den Fall groß auf, es kommt schnell zu Demonstrationen, von denen nicht alle wirklich für die Sache selbst eintreten, und Starr wird zur Hauptzeugin für die Schwurgerichtsverhandlung, in der es darum gehen wird, ob der Fall überhaupt zur Anklage gebracht wird. Der lokale Gangsterboss King sieht es überhaupt nicht gern, dass Starr bereit ist, auszusagen, denn er weiß, dass auch seine Geschäfte zur Sprache kommen könnte. Starr und ihre Familie werden massiv bedroht und unter Druck gesetzt, auf der anderen Seite zerrt die Öffentlichkeit an ihr, und eine Bürgerrechtsorganisation drängt sie ebenfalls, unbedingt in aller Öffentlichkeit Farbe zu bekennen. Am Ende wird es erwartungsgemäß keinen Prozess geben, es wird Ausschreitungen und wütende Proteste geben, es wird ein hartes Einschreiten der Polizei geben, Plünderungen, Brandstiftungen, den ganzen Scheiß, den es halt immer gibt. Starr kommt knapp mit dem Leben davon, und gerade als es noch mal richtig brenzlig wird und plötzlich ihr kleiner Bruder Sekani eine Knarre in der Hand hält, hat sie begriffen, dass es nicht nur um den weißen Rassismus und die weiße Polizeigewalt geht, sondern auch darum, was die Schwarzen selbst einander antun, wie sie miteinander umgehen und immer wieder den Kreislauf von Verbrechen und Gewalt anfeuern, was sie letztlich ihren eigenen Kindern mit auf den Weg geben und was die dann wiederum weiter an die nächste Generation tragen und immer so weiter.
Starr hat da eine echt starke Szene und hält eine echt starke Ansprache, die ich mindestens so relevant finde wie die sehr deutlichen Aussagen zum Thema Rassismus und institutionelle Gewalt. Wir müssen bei uns selbst anfangen, sagt sie, wir müssen erstmal dafür sorgen, dass nicht schon bei uns der ewige Teufelskreis in Gang kommt, dass wir miteinander sorgsamer und verantwortungsvoller umgehen. Recht hat sie! Das weiße Establishment tut weiß Gott alles, um den Schwarzen das Leben schwer zu machen, aber die Schwarzen schaffen es ihrerseits nicht, Solidarität und Stärke zu entwickeln, stattdessen reiben sie sich auf mit Drogen und Bandenkämpfen, die auch nichts anderes einbringen als Tod und Leid. Ohne also den grundsätzlichen Missstand des nach wie vor tief verankerten Rassismus‘ in den USA irgendwie zu vernachlässigen oder gar zu verharmlosen, wird hier ein anderes gewichtiges Problem zur Sprache gemacht, das die schwarzen Communities immer wieder schwächt. Starrs Dad verkörpert beispielhaft den Widerspruch, einerseits ist er besonnen, klug, familienverbunden, strikt diszipliniert, andererseits lässt er sich am Schluss fast wieder mitreißen vom Strudel der Gewalt und tritt somit um ein Haar eine neue, destruktive Lawine los. Scheinbar ist es tatsächlich Starr vorbehalten, als Einzige halbwegs klar zu sehen, vielleicht, weil sie ständig zwischen den beiden Welten pendelt und somit auch in der Lage ist, ihre eigene Welt aus einer gewissen Distanz zu betrachten.
Das ist schauspielerisch immens gut umgesetzt, vor allem werden die potentiellen Klischees des Drehbuchs sehr überzeugend überspielt, und so sehen wir hier keine Stereotypen und Funktionsträger, sondern Menschen aus Fleisch und Blut. Amandla Stenberg ist eine hinreißend charismatische Starr, allein ihre tolle Darstellung hat mich schon für den Film insgesamt gewonnen. Und natürlich der Mut des Regisseurs, thematisch und emotional in die Vollen zu gehen, klar Position zu beziehen und jenseits aller Ideologien ein tiefempfundenes Bekenntnis zur Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit zu formulieren.
Wie gesagt gehen Buch und Regie in einigen Momenten deutlich zu plakativ zu Werke, und es gibt tatsächlich Passagen im ersten Drittel, da wähnte ich mich glatt in irgendeinem High-School-Teeniefilm, doch aufs Ganze gesehen (immerhin reden wir von über einhundertdreißig Minuten) fällt das doch nicht allzu sehr ins Gewicht, und so bleibt ein eindrucksvoller, stellenweise auch mitreißender und bewegender Film mit einer Botschaft, die doppelt traurig ist, weil sie noch immer nicht an Aktualität verloren hat, ganz im Gegenteil… (7.3.)