The Sisters Brothers von Jacques Audiard. Frankreich/USA, 2018. John C. Reilly, Joaquin Phoenix, Jake Gyllenhaal, Riz Ahmed, Rebecca Root, Carol Kane, Allison Tolman
Die Sisters Brothers, das sind Eli und Charlie, und die sind gerade in Oregon unterwegs, ungefähr um 1850 rum. Sie schießen Leute tot und kassieren dafür viel Geld, weil sie gut sind in dem, was sie tun, und das wissen sie selbst auch. Ihr häufigster Auftraggeber ist der sogenannte Commodore, ein ziemlich mächtiger Gangster, von dem sie sich irgendwann mal lösen wollen. Ihr nächster Job führt sie in Richtung Kalifornien: Sie sollen einen Typ namens Herman Kermit Warm totmachen, der ihnen, so der Plan, von einem anderen Commodore-Mitarbeiter namens John Morris ausgehändigt werden wird. Was es mit Mr. Warm auf sich hat, erfahren sie irgendwann unterwegs, das heißt, Charlie wusste es schon früher, denn er soll diesmal der Boss von den beiden sein. Mr. Warm hat eine Chemikalie erfunden, die Gold im Wasser sichtbar macht, und da in Kalifornien gerade ein mächtiger Goldrausch tobt, wäre das natürlich ein dicker Hauptgewinn. Wir lernen jetzt auch das andere paar kennen, nämlich Mr. Morris und Mr. Warm. Die tun sich nämlich zusammen, weil erstens Mr. Morris Gold und große Gewinne wittert und weil zweitens Mr. Warm eine Vision hat von einem Ort des Friedens und der Harmonie irgendwo in Texas, wo die Menschen zusammenkommen, zusammenleben und zwar ohne Waffen und Gewalt, eine ebenso abenteuerliche wie verlockende Idee, findet Morris. Die beiden setzen sich also ab in Richtung San Francisco, gefolgt von den Sisters Brothers, die einfach nur ihren Job erledigen wollen. Doch vor allem Eli äußert ebenfalls Zweifel am Sinn des ewigen Mordens, und weil sie mittlerweile die Männer des misstrauischen Commodore am Hals haben und etliche Schusswechsel absolvieren müssen, beschließen sie ebenfalls, auszusteigen. Die beiden Paare überstehen gemeinsam ein paar Kämpfe und begeben sich schließlich auf Goldsuche. Doch wie man weiß, hat der Goldrausch viele Opfer gefordert…
Und so nimmt eine zunehmend tragische Geschichte ihren Lauf, reißt zwei der vier Goldsucher mit sich in einen unschönen Tod, bringt auch die beiden Brüder hart an ihre Grenzen, um dann im letzten Moment ganz unerwartet doch noch abzubiegen und in einem idyllischen Ausklang sanft zu landen: Die beiden rauen Jungs, Killer, Abenteurer, Hurenböcke, Gesetzlose, finden sich fast unversehrt (einzig Charlie hat einen Unterarm im Goldfieber eingebüßt)
vor der kleinen Ranch ihrer Ma wieder, und die packt ihre Schrotbüchse erst dann weg, als sie ihre Brut zweifelsfrei identifiziert hat. Menschlicher, zarter ging nie ein Western zuende: Die beiden bekommen ein Bütterchen, jeder nimmt kein schönes Vollbad (das erste vermutlich seit Monaten) und dann schlafen sie beide, auch zum ersten Mal seit langer Zeit, in einem behaglichen Federbett, irgendwie plötzlich wieder kleine Jungs, die von ihrer Mama umsorgt werden. In schläfriger Gemütlichkeit sozusagen klingt „The Sisters Brothers“ aus, und all das wüste Leben dort draußen, all das Sterben und Töten, sind auf einmal ganz weit weg, genau wie es sein soll. Dieser Schlussakkord ist ebenso überraschend wie ungewöhnlich und durch und durch charmant.
Charme hat der Film auch sonst, denn er nimmt den Western als solchen zwar durch und durch ernst und respektiert auch durchaus seine Regeln und Klischees, auch wenn er sie zumeist gegen den Strich bürstet oder einfach weglässt und durch andere Prioritäten ersetzt. Geschossen wird zwar auch, aber oft im Dunkel oder im Off, jedenfalls kurz und knapp und nicht so genießerisch wie sonst. Stattdessen wird sehr viel gequasselt, sinniert, philosophiert, auch gezankt. Eli hat das Zeug zum Philosophen, auch Mr. Warm ist ein Querdenker wider die martialischen Zeiten. Das sind keine gewöhnlichen Westernhelden, das sind nicht mal echte harte Männer, auch wenn Eli wenn nötig ein ziemlich verheerender Revolverschütze sein kann. Aber eigentlich möchte er dies schmutzige Geschäft lieber dem wilderen Bruder überlassen, auch die Huren im Übrigen, die dienen ihm höchstens dazu, seinen privaten kleinen Fetisch zu bedienen, einen roten Schal vermutlich mit dem Duft seiner Mutter dran. Charlie hat auch so seine Macken, bechert gern ordentlich und kotzt dann kräftig und ist insgesamt sicherlich der ungemütlichere Zeitgenosse. Er behauptet, dass sie beide vom Vater das faule Blut geerbt haben, aber Eli weiß, dass das nur eine faule Ausrede sein kann. So zockeln sie schwatzend durchs Gelände, fabulieren am Lagerfeuer, streiten auch mal oder lassen sich im Schaf eine dicke Spinne in den Mund laufen, um am andern Morgen mit dick aufgequollener Visage aufzuwachen. Und Eli hat seine erste Zahnbürste gekauft und experimentiert ganz stolz mit diesem aufregenden neuen Requisit herum. All dies also nicht unbedingt die Beschäftigungen und Attribute, die man mit normalen Westernhelden in Verbindung bringen würde, die aber den Protagonisten einen überaus liebenswürdigen, kauzigen und sehr humanen Zug verliehen, dem Film im Ganzen überhaupt, würde ich sagen. Audiard dreht zwar mit den Konventionen im Blick, doch zumeist auch gegen sie, wie gesagt durchaus respektvoll und nie diffamierend, dennoch mit leiser Ironie und viel Humor in den Dialogen. Die Hauptdarsteller sind natürlich starke Typen allesamt, und die grandiosen Landschaftspanoramen – witzigerweise nicht in den USA entstanden, wie ich las, sondern ausgerechnet in Europa – tragen maßgeblich zur optischen Attraktivität dieses Films bei, der dem neuen Westen eine ganz eigene, eigenwillige Note gibt, eine Ballade vom Töten und Nachhausekommen wenn man so will, und dass dies ein einziges Mal wirklich gelingt, ohne dass ich an ein kitschiges Happy End denken muss, das ist schon was Spezielles und hat mich wenigstens in bester Stimmung nach Hause radeln lassen. (18.3.)