Miles Davis: Birth of the cool von Stanley Nelson jr. USA, 2019
Schaut man sich Stanley Nelsons umfangreiche Filmographie mit Stichworten wie Marcus Garvey, Black Panthers, Black Business, Black Colleges, Freedom und Immigration so an, kapiert man schnell, dass es hier nicht nur um Musik gehen soll. Das Porträt eines der der einflussreichsten Jazzmusikers des 20. Jahrhunderts ist nicht nur die Geschichte des Jazz ab Mitte der 40er bis hinein in die hohen 80er, es ist auch die Geschichte eines schwarzen Musikers, der einer dezidiert schwarzen Kunstszene entscheidend hilft, ihre Identität, ihre Stimme, ihre Publicity zu finden. Ein schwarzer Trompeter, der bewusst schwarze Töne spielen will und nicht das cleane weiße Zeug, das beim Publikum der 40er und 50er natürlich erstmal besser ankommt und zu dieser Zeit nach wie vor den lukrativen Mainstream abgreift. Ein schwarzer Künstler, der im Laufe der Jahrzehnte zum Star wird, zum Idol, zum Vorbild, zum Mythos. Hip, cool, trendy, ein echter sexy Motherfucker. Prince hat sicherlich an ihn bedacht, als er diesen Song schrieb – zusammen aufgetreten sind die beiden ja tatsächlich, wie man hier sieht.
So einen hat Don Cheadle schon mal in seinem eigenen Film „Miles ahead“ gespielt, und das war ziemlich stark und eindrucksvoll und alles in allem deutlich mutiger und origineller als diese Doku, die mich wie so viele andere ein wenig durch ihre absolut konventionelle Machart enttäuscht. Zwei Stunden lang werden flott aneinander geschnittene Gesprächshäppchen serviert, immer schön kurz und leicht verdaulich, und dazu gibt’s den zu erwartenden Nonstop-Soundtrack, was ja nun wirklich ein Leichtes ist angesichts des gewaltigen musikalischen Werks dieses Herrn. Das Leben von Miles Davis wird einmal flugs abgeschritten, und Angehörige, Freunde, Mitmusiker, Businessleute und drei seiner Frauen geben wohldosiert Auskunft. Vor allem die Frauen hätte ihre gelegentlichen Andeutungen eines jähzornigen, schwierigen, beziehungsunfähigen Mannes sicherlich noch im Detail ausschmücken können, doch so weit wollte hier niemand gehen, niemand wollte zu sehr am Mythos Miles Davis kratzen, und so müssen uns die Hinweise auf seine wiederholten Drogenprobleme und sein chronisch egozentrisches, abgeschottetes, teilweise scheinbar fast schon menschenfeindliches Wesen genügen. Natürlich hab ich jetzt auch keinen Film erwartet, der diesen Supermann gänzlich vom Sockel runterholt, doch eine solch kontroverse, kantige Persönlichkeit hätte für meinen Geschmack schon eine adäquatere Doku verdient gehabt.
So nehme ich die eine oder andere interessante Phase zu seinen legendären Aufnahmen zur Kenntnis, und die Musik selbst natürlich über jeden Zweifel erhaben, doch das ist eindeutig nicht das Verdienst des Dokumentaristen. Ich kann nur hoffen, dass seine anderen Filme nicht ganz so glatt sind, denn sonst hätte er seinen Leuten vielleicht doch keinen so engagierten Dienst erwiesen. (9.1.)