Die Rüden von Connie Walther. BRD, 2019. Nadin Matthews, Ibrahim Al-Khalil, Konstantin Philippe Benedikt, Ali Khalil, Marcel Andrée, Sabine Winterfeldt, Robert Mehl

   Erstmal ein Film, der nachwirkt, den ich noch eine Weile mit mir herumtrage, und das ist schon mal ein Pluspunkt. Leider aber wird aus dem Pluspunkt in diesem Fall auch ein Minuspunkt, denn je länger ich über „Die Rüden“ nachdenke, desto mehr Zweifel kommen mir – ein merkwürdiger Effekt, denn gewöhnlich ist es eher umgekehrt.

   Worum geht’s? In einem merkwürdig stilisierten Betongebilde werden vier junge Straftäter zusammen mit einer Hundetrainerin und drei hochgradig aggressiven, bissigen Hunden unter Aufsicht zweier Repräsentanten des Strafvollzugs in einer Art Arena zusammengebracht. Das Ziel der Hundetrainerin Lu: Im Umgang, bzw. im Versuch, die Hunde zu zähmen und Zugang zu ihnen zu finden, lernen die vier Jungs etwas über sich, lernen, sich selbst und andere besser zu verstehen und finden möglicherweise einen Weg raus aus ihrem bis dato scheinbar vorgezeichneten Lebensweg, der sie immer tiefer in Gewalt und Kriminalität zu führen droht.

    Eine bestechende Idee – wir bringen Mensch und Hund zusammen, nutzen die vielen Parallelen zwischen diesen beiden Lebewesen, und geben dem Menschen die Chance, Formen der Aggression zu erkennen, zu vergleichen und wenn alles gut geht, diese Erkenntnis auf das eigene Verhalten anzuwenden, mit positivem Effekt natürlich. Reflektiere dich selbst, erkenne dich selbst, prüfe deine Impulse, deine Gefühle, schau genau darauf, was dich wirklich leitet und ob das, was du sagst, sich auch in deinen Augen und deiner Körpersprache wiederfindet. Und vor allem in der ersten Filmhälfte und ganz zuletzt gibt es Szenen von enormer Spannung und Faszination, die zeigen, wie stark der Film hätte werden können und wie stark er zumindest in diesen Momenten ist. Die Aggro-Hunde sind beängstigend echt und die vier Jungs auch, die Dialoge kommen direkt von ihnen, ihre Interaktion, ihre Sprüche, ihre Reaktionen, alles ist total echt. Leider, so schien es mir wenigstens, verlieren die Macher diesen Fokus mehr und mehr aus dem Blick, und plötzlich sehe ich die Hunde und ihre Trainerin im Mittelpunkt stehen, es werden immer wieder eigentümlich stilisierte, verkünstelte Passagen eingeschoben mit Zeitlupe und einem mythischen Vogelmann, die eher auf eine Selbstdarstellung Nadin Matthews‘ hindeuten und ganz und gar nicht mehr im Dienst der Sache stehen. Und das ist überaus bedauerlich. Das irritierende Sci-Fi-Setting tut das Seine dazu, die ebenso merkwürdig kostümierten Anstaltsleiter auch, und da die Hundetrainerin Nadin Matthews offenbar einen starken Impuls bei der Entwicklung des Stoffes gegeben hat, rücken sie und ihre Hunde mehr und mehr in den Mittelpunkt. Obwohl sie besonders am Anfang ein paar tolle Szenen mit den Jungs hat und zeigt, dass sie den Transfer von tierischem zu menschlichem Verhalten sehr überzeugend hinkriegt und sehr kluge und auch für mich aufschluss- und erkenntnisreiche Resultate erzielt, hatte ich mit zunehmender Dauer dann den Eindruck, sie interessiere sich doch mehr für Hunde als für die vier Jungs. Und da konnte ich dann nicht mehr mitgehen, denn Hunde interessieren mich persönlich überhaupt nicht.

 

   So bleibt „Die Rüden“ ein im Ansatz bemerkenswertes Experiment mit sehr überzeugenden menschlichen und tierischen Akteuren und einigen spannenden Gedanken, die mir durchaus im Alltag hilfreich sein könnten. Die für meinen Geschmack vollkommen unnötige Stilisierung des äußeren Rahmens und die zunehmende inhaltliche Schieflage verderben mir aber ein bisschen die Freude, obwohl ich andererseits schon dankbar bin, dass sich mal wieder solch ein Film findet, der sich so deutlich vom Mainstream abhebt. So richtig gut ist er aber dennoch leider nicht geworden. ˜˜˜ (2.9.)