Little Women von Greta Gerwig. USA, 2019. Saoirse Ronan, Emma Watson, Florence Pugh, Eliza Scanlen, Laura Dern, Timothée Chalamet, Louis Garrel, Meryl Streep, Bob Odenkirk, Tracy Letts, Chris Cooper
Ich leg mich mal fest: Einen schöneren, charmanteren Film werde ich in diesem Jahr nicht mehr zu sehen bekommen. Punkt. Greta Gerwig hat es tatsächlich fertig gekriegt, ihrem ohnehin schon außergewöhnlichen Debut „Lady Bird“ einen noch besseren Zweitling folgen zu lassen, hat uns zweieinviertel Stunden Balsam für die müden Zivilisationsseelen geschenkt, den puren Genuss, ein Fest für die Sinne und fürs Herz. Solch ein Film bringt sogar einen wie mich zu der Einsicht, dass auch ich ein Herz habe, jedenfalls habe ich es die ganze Zeit über deutlich gespürt, denn es geriet in nicht geringem Maße in Bewegung.
Gerwig hat sich einen alten, bereits vielfach verfilmten US-Jugendromanklassiker aus der Spätbürgerkriegszeit geschnappt und daraus ein Wunderwerk gemacht, das zugleich hemmungslos romantisch, im besten Sinne altmodisch und zugleich sehr frisch und modern wirkt. Vital wäre ein anderer Begriff dafür, denn Gerwig hat kurzerhand die Erzählstruktur umgepflügt, springt zwischen Zeit und Ort, zwischen Concord, Massachusetts und New York City und Europa. Es ist allerdings weniger ein abruptes Springen, als vielmehr ein anmutiges Hin- und hergleiten oder -hüpfen, verspielt und launisch ganz wie die vier Schwestern March, die hier im Mittelpunkt stehen, und deren Geschichte als einzelne Personen wie auch als Mitglieder einer Familie hier aufgefächert werden. Es geht um coming of age, um Lebensentwürfe, um Träume, Ziele, um Leidenschaften, Sehnsüchte, vor allem natürlich um die Liebe. Die einen streben konventionelle Eheschließungen an, andere trachten nach neuer Freiheit, nach Selbstverwirklichung, fast schon Emanzipation. Mit den Jungs wird solange jongliert, bis jede den richtigen an Land gezogen hat, eine der vier Schwestern wird zurückbleiben und am Fieber sterben, andere werden sich zwischendurch durchaus auch mal uneinig und entzweien, doch finden sie wieder zueinander, und am Ende steht der schöne Traum der großen Lebensgemeinschaft mit mehreren Generationen unter einem Dach, und Jo, die diese Geschichte mehr oder weniger für uns erzählt hat, veröffentlicht ihren ersten Roman und feilscht erfolgreich mit dem gewieften Verleger, sie steht ihren Mann, wie man so schön doof sagt.
Greta Gerwig scheint die ideale Regisseurin für diesen Stoff zu sein - sie hat soviel Liebe, Gefühl, Humor und Temperament in diesen Film investiert, dass es buchstäblich aus fast jedem Bild heraussprudelt und uns einfach mitreißt, ob wir wollen oder nicht. Einer derartig unwiderstehlichen Charmeoffensive kann ich mich jedenfalls nicht entziehen, und will es auch gar nicht, denn es macht viel zuviel Spaß, sich mit treiben zu lassen, sich auf jeden neuen Moment zu freuen. Es geht hier wohlgemerkt nicht nur idyllisch und spaßig zu, es gibt auch Zeit und Raum für Nachdenkliches, Ernstes, Trauriges, und man sieht es schon den Bildern der verschiedenen Zeitebenen an, dem bunten Leuchten der frühen, unbeschwerten Zeit und den gedeckten, dunkleren Tönen einer zwischenzeitlich von Krisen und Verlust geprägten Phase. Die wunderbare Kamera zaubert märchenhafte Kindheitsträume ebenso wie Konflikte, das Ringen um den richtigen Weg, gegen den Stolz, auch gegen die Vernunft. Besonders Jo tut sich schwer, denn anders als Meg und Amy schwebt ihr keine Zukunft als brave Ehefrau und Mutter vor, und sie braucht so ihre Zeit, bis sie begreift, dass sie vielleicht eine gute Partnerschaft mit der von ihr gewünschten Selbstverwirklichung vereinbaren kann, ohne sich total aufgeben zu müssen.
Alles scheint hier am richtigen Platz zu sein, der Ton, der Rhythmus, die unbedingte Zuneigung zu allen Figuren, und passend dazu gibt‘s ein großartiges Ensemble, das nicht als Star im Mittelpunkt steht, sondern perfekt eingebettet wird in das Gesamtkunstwerk. Saoirse Ronan trägt den Film auf eine Weise, und das macht sie ganz grandios, doch ist sie auf andere Weise nicht mehr als Teil des Ganzen, und so spielt sie auch. Für mich waren dies gut zwei höchst beglückende Kinostunden, wie ich sie in dieser Art schon länger nicht mehr erlebt habe, und wie schon gesagt rechne ich auch nicht damit, so etwas in diesem Jahr noch sonderlich häufig zu erleben, und das ist auch ganz gut so. (17.2.)