Héraðið (Milchkrieg in Dalsmynni) von Grímur Hákonarson. Island/Dänemark/BRD, 2019. Arndis Hrönn Egilsdóttir, Sveinn Ólafur Gunnarsson, Sigurður Sigurjónsson, Hannes Óli Águstsson, Alfrun Rose, Daniel Hans Erlendsson, Siggi Holm

  Die furchtlose Einzelkämpferin, die es gegen alle Vernunft und gegen etlichen Widerstand mit einem korrupten Konzern, einem übermächtigen Gegner aufnimmt – ein klassisches Westernmotiv, diesmal in der isländischen Variante: Die Milchbäuerin Inga verliert ihren Mann Reynir durch einen Lastwagenunfall, der vielleicht gar keiner war, und leider erfährt sie erst nach seinem Tod von den Dingen, die der getan hat und die ihn möglicherweise in den Suizid getrieben haben. Jahrelang nämlich hat Reynir, weil er gezwungen wurde und um die Existenz seines geliebten Hofes bangen musste, für die örtliche Genossenschaft andere Bauern ausgespäht und verraten, sobald diese ihre Güter bei einem anderen Anbieter als der Genossenschaft kauften. Irgendwann konnte Reynir mit der Scham nicht mehr leben, gut möglich also, dass er bewusst in den Tod fuhr. Als Inga begreift, was das bedeutet, entschließt sie sich, gegen den korrupten, mafiösen Haufen zu Felde zu ziehen und ihre Schweinereien öffentlich zu machen. Das Problem: Alle in der weitläufigen ländlichen Gemeinde wissen davon, keiner aber wagt etwas zusagen, weil sie alle wirtschaftlich total abhängig sind von der Genossenschaft. Die hat das sehr geschickt arrangiert – jeder einzelne Landwirt ist privat so gut wie insolvent, könnte also allein gar nicht existieren, sondern hängt an der Versorgungspipeline der Genossenschaft, die ihnen alle Produkte abnimmt - natürlich zu Schleuderpreisen, und sie im Gegenzug dazu zwingt, ihr sämtliche Bedarfsgüter abzukaufen - natürlich zu Wucherpreisen. Gegen diese kriminellen Strukturen begehrt nun endlich jemand auf. Inga geht zum Vorsitzenden, wird mit milden Phrasen abgespeist, wird gleich darauf zuhause unverhohlen bedroht und kriegt den Gegenwind der besorgten Bauern zu spüren, die sich nicht mit den Mächtigen anlegen wollen., Inga regt an, eine eigene Milchgenossenschaft zu gründen, und tatsächlich gewinnt sie mehr und mehr Mitstreiter für den Plan. Auf einer turbulenten öffentlichen Sitzung erringt ihr Antrag nach ihrer emotionalen Ansprache die Mehrheit – sie hat gewonnen. Ihre Insolvenz und den Verlust Dalsmynnis kann sie damit aber nicht abwenden, und so setzt sie sich am Ende ins Auto und kehrt ihrer Heimat den Rücken, traurig und zuversichtlich zugleich.

   Mein ewiger Mitstreiter und ich waren und gleich beim Hinausgehen spontan einig: Drei Sterne, mehr sind einfach nicht drin. Schöne Geschichte, viel Atmophäre und Lokalkolorit, starke Bilder aus dem rauen ländlichen Island, viel Herz vor allem für die kleinen Leute und ihre Sorgen und Nöte, und das Herz am richtigen Fleck, wenn‘s um Schelte gegen die Großen, Korrupten, Gierigen dieser Welt geht. Alles gut soweit. Dazu ein paar kernige, knorrige Typen, wortkarg, spröd, widerborstig, aber grundsympathisch, und der bewährte skandinavische Stil, ebenfalls wortkarg und spröd. Im Prinzip ist dagegen auch gar nichts einzuwenden, nur hat sich das Drehbuch in diesem Fall mit der Story nicht genug Mühe gegeben, finde ich, geht in vielen Fällen zu hastig und schemenhaft vor, lässt der Geschichte kaum Zeit, sich zu entfalten und zu entwickeln und mündet unweigerlich in ein etwas abruptes Ende, das der komplizierten, höchst konfliktgeladenen Thematik absolut nicht gerecht zu werden scheint. Da geht es mir einfach viel zu schnell, während es zuvor immer wieder sehr schöne und eindringliche Momente gibt, gerade auch mit Inga und ihren zwei ahnungs- und fassungslosen Kindern, die durchaus andeuten, dass hier mehr möglich gewesen wäre. Manchmal steht das Stoische, Schroffe eben auch einer vernünftigen Erzählung im Wege, wenn die Balance nicht stimmt. Und so muss ich trotz der an sich interessanten Geschichte, den starken Typen und eindrucksvollen Bildern feststellen, dass ich schon Überzeugenderes aus Island gesehen habe. ˜˜˜ (15.1.)