Undine von Christian Petzold. BRD/Frankreich, 2020. Paula Beer, Franz Rogowski, Maryam Zaree, Jakob Matschenz

   Seine beiden letzten Filme „Transit“ und Phoenix“ haben Christian Petzold für mein Empfinden nicht so ganz auf der Höhe seiner Kunst gezeigt, doch nun ist er wieder da, und das ist eine verdammt gute Nachricht, finde ich, denn Petzold gehört seit zwei Jahrzehnten nicht nur zu den beständigsten, sondern vor allem zu den besten und interessantesten deutschen Filmemachern.

   Auch thematisch geht er wieder zurück in die frühen 2000er, zu seiner „Gespenster-Trilogie“, zu seinen geheimnisvollen, etwas aus der Zeit gefallenen Frauenfiguren. Und fast sieht es aus, als könnte Paula Beer Nina Hoss nach sieben gemeinsamen Filmen als neue Muse ablösen, und damit hätte ich auch überhaupt kein Problem, denn was Ausstrahlung und Präsenz angeht, kann Paula Beer es absolut mit ihrer „Vorgängerin“ aufnehmen.

   In „Undine“ spielt sie eine junge Historikern in Berlin, die im Institut für Stadtentwicklung Präsentationen der verschiedenen Phasen Berliner Stadtentwicklung aus wilhelminischen, DDR- und Nachwendezeiten für Touristen aufbereitet. Gleich zu Beginn aber macht ihr Freund mit ihr Schluss, obwohl sie ihm klarmacht, dass sie ihn in diesem Fall töten wird. Gerade als sie glaubt, nicht mehr weiterleben zu können, erscheint ein anderer Mann, ein Industrietaucher, und es beginnt eine neue Liebe, die dann aber auch aus dem Gleis gerät: Eine Lüge, ein Unfall, ein Missverständnis, eine Vision, ein bisschen Telepathie. Undine ertränkt ihren Ex, geht dann aber selbst ins Wasser, just in dem See im Bergischen, wo ihr Christoph seinen schlimmen Unfall erlitten hat. Christoph folgt ihr beinahe nach, der Wassergeist kann ihn fast mit sich ziehen, dann jedoch entscheidet er sich für das Leben und kehrt zurück zu seiner neuen Freundin, mit der er ein Kind haben wird.

   Das alles klingt wild und melodramatisch, doch bei Christian Petzold sieht es nie so aus. Alles, was mir immer so an seinen Filmen gefallen hat, ist hier wieder da: Die bestechend klaren, ruhigen Bilder, die leicht melancholische Stimmung, die spärliche Musik, der knappe, präzise Erzählung, der leise Ton, die Geheimnisse, die unter der Oberfläche verborgen sind und es auch bleiben. Genau wie Nina Hoss ist auch Paula Beer undurchschaubar, reizvoll rätselhaft, ein Pokerface, eine Projektionsfläche für Empfindungen und Möglichkeiten, und sie macht das genauso toll und beeindruckend wie die andere. Die Figur Undine mag romantischer Mystik entsprungen sein, hier ist sie auf eine Weise vollkommen geerdet, im Berliner Alltag verknüpft, und dann doch wieder, wie ihre ältere Schwester Yella, eigenartig entrückt. Ein Gespenst eben, das halb im Hier und Jetzt lebt und halb irgendwo anders. Wie häufig wechselt Petzold zwischen großstädtischem und provinziellem Milieu, gern dann mit Wasser dabei, diesmal in Gestalt eines Stausees zwischen Solingen und nirgendwo. Die weltliche Undine nimmt hier am Schluss endgültig wieder die Gestalt eines Geistes an, der den geliebten Christoph mit sich ziehen will, ihn dann aber doch gehen lässt, nicht ohne ein Andenken an die gemeinsame Zeit zu hinterlassen.

 

   Ich habe sehr schöne, intensive, stimmungsvolle 90 Minuten mit Undine verbracht, einmal mehr beeindruckt von der Souveränität eines Filmemachers, der ganz früh schon seinen Stil, seine eigene, ganz unverwechselbare Poesie fand und beides nun wieder voll zur Geltung bringt. ˜˜˜˜˜ (8.7.)