Deux (Wir beide) von Filippo Meneghetti. Frankreich/Belgien/Luxemburg, 2019. Barbara Sukowa, Martine Chevallier, Léa Drucker, Muriel Bénazéraf, Jérôme Varanfrain

   Nina und Mado lieben sich seit vielen Jahren – nur darf das niemand wissen. Vor allem nicht Mados Kinder Anne und Frédéric, die zur Mutter ohnehin ein nicht ganz geklärt ambivalentes Verhältnis zu haben scheinen. Die beiden Frauen wohnen nebeneinander auf einem Flur in einer kleinen Stadt und träumen von einer gemeinsamen Zukunft in Rom. Der Haken ist nur., dass Mado es einfach nicht schafft, ihren Kindern endlich reinen Wein einzuschenken. Dabei hat sie sich für gar nichts zu rechtfertigen, denn immerhin hat sie die Ehe mit ihrem lieblosen Mann, dem Vater ihrer Kinder, durchgestanden, ohne aufzubegehren, wenngleich ihr Sohn sie schon länger verdächtigt, den Vater einst betrogen zu haben (womit er unwissentlich vollkommen richtig liegt). Nina und Mado wollen ihre beiden Wohnungen verkaufen, um das Geld für den ersehnten Umzug zusammenzukriegen, doch traut sich Mado diesen letzten Schritt nicht zu tun. Und als Nina davon erfährt, gibt es eine hässliche, frustrierte Szene auf offener Straße. Kurz darauf erleidet Mado einen Schlaganfall, eine Pflegerin wird angestellt und Nina kämpft mit allen Mitteln, um ihrer Geliebten nahe sein zu können. Sie gewinnt diesen Kampf vielleicht am Ende, ihr Traum von einem gemeinsamen Leben in Rom jedoch wird sich wohl nicht erfüllen.

   Keine besondere Story, aber trotzdem ein besonderer Film durch die Art und Weise, wie er inszeniert und erzählt wird. Filippo Meneghetti gelingt es großartig, fast jede einzelne Szene mit einer intensiven, mitunter fast unangenehmen Spannung aufzuladen. Dies hier sind keine gefälligen Wohlfühlfiguren, dies sind eigensinnige, eigenwillige, sperrige Charaktere, die konsequent geschrieben und dargestellt werden, und die sich uns zu keiner Zeit anbiedern und ihre Handlungen weder mildern noch begründen. Nina bedient sich ziemlich fieser Tricks, um die tumbe Muriel aus dem Weg zu räumen (was am Ende aber voll auf sie zurückfällt) und konfrontiert auch Mados Kinder schließlich mit offener Wut, versucht ihnen klarzumachen, wen ihre Mutter all die Jahre wirklich geliebt hat. Anne und Frédéric ihrerseits lassen in ihrem Verhalten erkennen, dass diese Familie eine Vorgeschichte hat, die alles andere als unbelastet und frei ist. Als Anne die Homosexualität ihrer Mutter schließlich zu akzeptieren bereit ist, ist es fast zu spät, ebenso wie Frédérics Skrupel, die Mutter im Pflegeheim untergebracht zu haben. Die Geschwister wirken hilflos, es ist Nina, die entschlossen handelt, und sie nimmt dabei keinerlei Rücksichten, weil sie um das eine Wichtige in ihrem Leben ringt. Wie Sukowa das spielt, ist allein schon den Eintritt wert.

   Meneghetti hat ein fabelhaftes Gefühl für Stimmungen zwischen den Leuten hier, er baut auch ominöse, mehrdeutige Sequenzen ein, Träume vielleicht, Visionen, er stellt einerseits niemanden bloß, ergreift aber dennoch erkennbar Partei für die beiden Liebenden, die so viele Jahre nicht zu ihrer Liebe stehen konnten. Annes ohnmächtige Aggressivität erzählt die ganze Geschichte - und gleichfalls ihre späte Reue, die leider nicht die Reue einer ganzen Gesellschaft ist. Ohne dass im Film viel Aufhebens davon gemacht wird, bleibt dennoch die traurige Gewissheit, dass auch im 21. Jahrhundert Homosexuelle nicht in der Situation sind, ihre Sexualität als gleichwertig anerkannt zu bekommen. Ninas verzweifelte Verbissenheit wird auch vor diesem Hintergrund völlig verständlich.

 

   Ein starkes, hochkonzentriertes Liebesdrama, das durch die perfekte Harmonie von Regie, Buch und Schauspiel beeindruckt. Sieht man selten so in dieser Form. ˜˜˜˜ (13.8.)