Annette von Leos Carax. Frankreich/USA/BRD/Belgien, 2021. Adam Driver, Marion Cotillard, Jonas Helberg, Devyn McDowell

   Zum Abschluss eines merkwürdigen und unter dem Strich nicht gerade herausragenden Kinojahres nochmal ein merkwürdiger und nicht gerade herausragender Film. Leos Carax hat mich vor satten dreißig Jahren mal mit seinem phänomenalen „Die Liebenden von Pont-Neuf“ begeistert – und danach ist nichts annähernd Gleichwertiges mehr von ihm gekommen. Das gilt leider auch für seinen jüngsten versuch „Annette“, ein schräges Musical mit Musik von den Sparks (waren auch nie so richtig mein Ding, die beiden komischen Vögel), in dem die „sparks“, was mich betrifft, nie so recht zum Fliegen kommen und das es über gut zwei Stunden zwanzig kaum mal geschafft hat, mich zu berühren oder zu interessieren.

   Ein sehr populärer Comedian ehelicht eine ebenso populäre Operndiva und kriegt mit ihr ein Kind, eben jene Annette, doch die Ehe geht schnell den Bach runter, weil sein Ego ihren Erfolg nicht verkraftet und er seine eigene Show zunehmend mutwillig in den Sand setzt. Alkohol und ruppige Ausfälle tun das Ihre, und auf einem gemeinsamen Bootsausflug eskaliert die Lage schließlich, sie geht über Bord und ertrinkt, und er lässt es teilnahmslos geschehen. Später muss auch noch ihr ehemaliger Liebhaber und späterer musikalischer Begleiter und Dirigent dran glauben, und bei alledem kommt die kleine Annette ziemlich unter die Räder, obgleich sie offensichtlich mit dem gleichen magischen Talent wie ihre Mama gesegnet ist und bereits als Kleinkind erstaunliche Auftritte hat. Das als Mama tot ist und Papa im Knast, präsentiert sie ihm eines Tages die Rechnung, sagt sich endgültig von ihm los und wirft beiden Elternteilen vor, ihre eigene Karriere rücksichtslos und egoistisch durchgezogen und sie komplett vernachlässigt zu haben. Papi ist am Boden zerstört, fehlt um Vergebung, doch es ist für sie beide zu spät.

 

   Mit Musicals habe ich generell meine Probleme, und von den Sparks hätte ich doch ein paar griffige Popsongs mehr erwartet, doch die höre ich hier nirgendwo. Immerhin singt die wunderbare Marion Cotillard, die ich in den letzten Jahren sehr schmerzlich im Kino vermisst habe, sehr passabel, was man von Adam Driver nicht wirklich behaupten kann, und irgendwie geht den beiden auch die überzeugende Chemie ab, die ihre Rollen eigentlich erfordert hätten. Carax würzt seine Story mit einigen ganz guten und unorthodoxen Einfällen, lässt die kleine Annette beispielsweise durch eine Puppe verkörpern, was der ganzen Chose einen etwas gruseligen Anstrich gibt, und einen Rest seiner alten Bildkraft hat er sich auch bewahrt, doch im Großen und Ganzen plätschert die Handlung eher uninspiriert vor sich hin und weist natürlich etliche Längen auf, vor allem die Auftritte des Comedians hätte ich in dieser Ausführlichkeit nicht gebraucht. Ich habe bis zuletzt nicht ganz nachvollziehen können, etwas Carax an diesem Projekt gereizt haben mag, mir fehlt ein bisschen der Fokus, die Spannung, und jenes ungestüme Temperament, das seine früheren Filme auszeichnete, wirkt hier zum Teil eher aufgesetzt. Um es kurz zu machen (der Film selbst war schon lang genug): Kein sonderlich beglückender Jahresabschluss, kein Film, mit dem Carax an frühere Höhenflüge anknüpfen könnte, und die Marion würde ich beim nächsten Mal gern wieder in einem richtig guten Film sehen, denn das ist nun schon ein ganzes Weilchen her…˜˜» (29.12.)