Black ´47 von Lance Daly. Irland/Luxemburg, 2018. James Frecheville, Hugo Weaving, Freddie Fox, Barry Keoghan, Stephen Rea, Moe Dunford, Jim Broadbent, Andrew Bennett

   Doch mal wieder Irland – fast zwei Jahrzehnte schien das Land von unseren Leinwänden und Bildschirmen weitgehend verschwunden zu sein, so als gäbe es gar nix mehr zu erzählen dort drüben. Kein Bürgerkrieg mehr, keine IRA, keine Peace Line mehr, keine Hungerstreiks. Und so besinnt man sich auf ein anderes schicksalhaftes Ereignis, geht einfach gut hundertfünfzig Jahre zurück und greift jene grauenhaften Jahre auf, in denen sich das Land fundamental verändern würde. Es verlor im sogenannten „Großen Hunger“ in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts ungefähr die Hälfte seiner Bevölkerung durch Tod an den Hunger selbst oder durch Emigration, zumeist an die USA. Was das mit einem Land macht, kann man sich nur schwer vorstellen, wie man sich auch die Verhältnisse in den besonders betroffenen Gebieten Irlands in jenen Jahren nur schwer vorstellen kann, denn selbst die plastischsten zeitgenössischen Schilderungen dürften dem unfassbaren Elend nicht mal annähernd nahegekommen sein. Während die irische Landbevölkerung elend verreckte und verhungerte, sahen die englischen Kolonialherren entweder tatenlos zu und ließen es einfach geschehen, oder aber sie verschlimmerten die Lage der Iren noch, indem sie gnadenlos ihre Mieten eintrieben oder die Häuser zerstören ließen, wenn die Mieten nicht mehr gezahlt werden konnten, was natürlich meistens der Fall war. Zynismus, Grausamkeit und Hochmut des britischen Kolonialismus‘ erreichten hier einen finsteren Höhepunkt, und „Black ´47“ macht eine sehr deutliche Aussage dazu, und es ist vollkommen eindeutig, wem Mitgefühl und Sympathie der Filmemacher gehören. Das ist erstmal gut und richtig. Ansonsten ist dies eher eine Art Western, eine ziemlich gewalttätige Rachegeschichte über einen desertierten Kriegshelden aus den Afghanistan-Feldzügen, der in seine Heimat zurückkehrt, und die Mehrzahl seiner Familie obdachlos, exekutiert, hoffnungslos vorfindet, und selbst mitansehen muss, wie seine Schwägerin mitsamt ihren Kindern erfriert, weil die Briten ihre das Dach über dem Kopf wegreißen. Mr. Feeney macht sich daraufhin auf einen blutigen Privatfeldzug, der all jene ereilt, die für das Schicksal seiner Familie verantwortlich sind, und tatsächlich krieg er sie alle dran, bevor ihn selbst eine tödliche Kugel trifft. Auf ihn angesetzt wird unter anderem Captain Hannah, der Probleme mit dem Gesetz hat und zur Teilnahme gezwungen wurde. Feeney und Hannah haben zusammen in Afghanistan gedient und Hannah hat mächtig Respekt vor seinem Gegner, der ihm einst das Leben rettete. Nicht nur deshalb wechselt Hannah im Laufe der Jagd mehr oder weniger die Seiten, er verzweifelt auch an der Brutalität der englischen Kolonialisten und der katastrophalen Lage der irischen Bevölkerung. Feeney macht ihm kurz vor seinem Tod klar, dass er auch besser nach Amerika emigrieren solle, und es sieht ganz so aus, als werde Hannah diesen Rat am Schluss beherzigen.

   Das Ganze ist vielleicht mit recht grobem Strich gezeichnet, vor allem was die Figuren angeht, doch ich brauch‘s auch gar nicht immer so differenziert, vor allem nicht in einem Fall wie diesem, wo die Rollen von Täter und Opfer ziemlich klar verteilt sind. Hier geht’s noch nicht um die IRA und die ganzen Grauzonen des folgenden jahrzehntelangen Krieges, hier geht’s um Kolonialherren, die, statt der in Not geratenen Bevölkerung zu helfen, genau das Gegenteil tun, indem sie das, was sie als ihr „Recht“ bezeichnen, ohne Rücksicht durchsetzen, egal, was die Folgen sind, egal, wie viele Menschenleben das kostet. Da die Iren von ihnen sowieso nur als Vieh betrachtet und auch so behandelt wurden, kam auch niemand auf den Gedanken, sich um eine Verbesserung der Situation zu bemühen – Ausnahmen, die es sicherlich gab, bestätigen die Regel. „Black ´47“ bemüht wirkungsvolle, drastische Bilder, um das Grauen halbwegs nachbilden zu können, wobei er sich für meinen Geschmack ein wenig zu sehr um die Westerngeschichte kümmert als um die Bevölkerung. Darin folgt er treu und brav einem Schema, wie man es beispielsweise aus einigen australischen Balladen kennt, und manchmal meint man sogar, die Musik von Nick Cave und Warren Ellis zu hören, so ähnlich klingt der Soundtrack bisweilen. Die Figuren sind überwiegend eher Typen oder Funktionsträger, auch unserem Mr. Feeney kommen wir nicht allzu nahe, aber dies ist eben auch kein psychologisches Drama, sondern bedient sich deutlich kommerziellerer Methoden, um sein Thema, die angepeilte Zeitperiode, zu bearbeiten. Das düstere, fatalistische Geschehen ist insofern fast prophetisch für die kommenden Phasen irischer Geschichte, als auch hier bereits die verfeindeten Lager mit maximalem Fanatismus und minimaler Dialogbereitschaft zu Werke gehen, denn weder Feeney noch die Brits wollen eine Lösung, sie wollen töten und ihren gegenseitigen Hass ausleben, und das gelingt ihnen ziemlich umfangreich.

 

   Trotz auf seine Weise ein recht eindrucksvoller, kraftvoller Film, der meinem Zorn über die britischen Scheißkolonialisten mal wieder richtig Futter gibt, und das tut ab und zu ganz gut, nachdem ich mich lange Zeit gar nicht mit diesem Thema beschäftigt habe. Gern mal wieder mehr davon… (TV, 22.2.)