Kanał (Der Kanal) von Andrzej Wajda. Polen, 1957. Tadeusz Janczar, Teresa Izewska, Wieńczysław Gliński, Tadeusz Gwiazdowski, Stanisław Mikulski, Emil Karewicz, Władysław Sheybal, Teresa Berezowska
Andrzej Wajdas erschütternder Film über die letzten Tage einer kleinen Gruppe von Kämpfern in Warschau 1944. Die Deutschen haben den Aufstand so gut wie niedergeschlagen, die Männer und Frauen der polnischen Heimatarmee wissen nur zu genau, dass sie nicht mehr lange zu leben haben, und dennoch harren sie aus in den Ruinen der Stadt, ziehen sich schließlich zurück in die Abwasserkanäle in dem aussichtslosen Versuch, irgendwie in die Innenstadt durchdringen zu können. Die meisten sterben dort unten, einige kommen ans Licht geradewegs in die Fänge eines deutschen Hinrichtungskommandos, andere sehen die Weichsel direkt vor sich, doch ist der Ausgang von einem Eisengitter versperrt, wieder andere schaffen es ebenfalls nach oben, zerstören sich dann aber gegenseitig selbst, halb irre geworden von der alptraumhaften Szenerie dort unten.
Nichts wird uns hier erspart, in schroffen Schwarzweißbildern entfaltet sich das ganze apokalyptische Ausmaß dessen, was die Polen in diesem Krieg erlitten haben. Der verzweifelte, aussichtslose Kampf dieser Todgeweihten geht einem so nahe wie selten etwas in einem Kriegsfilm, und diese Geschichte bekommt unabhängig von Wajdas Film noch einen ganz anderen Geschmack, wenn man liest, dass die Rote Armee bereits unmittelbar bis an die Weichsel vorgerückt war, dann jedoch nicht weiter eingriff, schon gar nicht, um der aufständischen Heimatarmee zu helfen. Der Verdacht liegt angesichts der Kaltblütigkeit und Rücksichtslosigkeit Stalins nahe, dass man einfach abwartete, bis die Deutschen ihr Werk vollendet und den polnischen Widerstand samt großen Teilen der Zivilbevölkerung vernichtet haben würden – und so kam es dann ja auch. Dies macht mich mindestens so sprachlos wie der Film selbst, passt auch ganz gut ins Bild, wenn man an das von den Russen verbrochene Massaker von Katyn denkt. Polen als ein Land zerrieben zwischen zwei grausamen Diktaturen – schlimmer kann man es sich wohl kaum vorstellen.
Wajda konnte all dies 1956/57 auf keinen Fall in seinen Film einbringen, im Gegenteil musste er einen Eiertanz aufführen, um ihn überhaupt durchzusetzen, denn jeder leise Verdacht der Kritik am Großen Bruder hätte das Projekt von vornherein verhindert. Dennoch ist dieser Film, so wie er ist, ein wirklich bewegendes Dokument geradewegs aus der Hölle mit unvergesslichen Momenten und Gesichtern, einem deutlich realistischen Gestus und fern irgendwelcher pompösen Feierlichkeit. Ein Film wie ein Mahnmal, und als solches hat er nichts von seiner Wirkung verloren – und leider auch nicht von seiner Relevanz… (TV, 3.6.)