Gaza mon amour von Arab & Tarzan Nasser. Palästina/Frankreich/BRD, Portugal, 2020. Salim Dau, Hiam Abbass, Ruala Abd Elhadi, Maisa Abd Elhadi, Ibrahim Altoubat
Issa ist ein älterer Herr, der in Gaza lebt, als Fischer ein eher karges Dasein fristet und ansonsten vor sich hinlebt, ein eher brummeliger Typ, der ohne die ständige Fürsorge seiner Schwester vermutlich schon völlig verwahrlost wäre. Und als er eines Tages verkündet, er sei einer späten Heirat doch nicht abgeneigt, horcht sie frohgemut auf und macht sich eifrig daran, ein paar Kandidatinnen heranzuschaffen. Er allerdings hat bereits eine Herzensdame im Auge, nur weiß die leider nichts davon. Sie heißt Silham, ist Schneiderin und lebt allein mit ihrer Tochter Leila. Er kennt sie vom Markt, wo sie einen Strand nahebei hat. Die Annäherung verläuft nun aber recht holprig, denn beide sind eher spröde Typen, die nicht gerade sehr geschickt im Kontakteknüpfen sind, und obendrein hat sie zunächst mal keinen Schimmer von seinen ernsthaften Absichten und hat ihrer Tochter zudem immer versichert, keinen neuen Mann zu suchen. Er gibt ihr ein paar Hosen zum Kürzen, weil er keinen anderen Weg findet, in ihre Nähe zu gelangen, und dieses Manöver endet äußert skurril, weil er natürlich jetzt viel zu kurze Hosen hat. Leila sieht sofort, dass der Knabe ganz andere Pläne hat und hat viel Spaß bei diesem merkwürdigen Schauspiel. Issas Schwester hingegen ist weniger amüsiert, denn sie schleppt tatsächlich vier potentielle Bräute an und versinkt fast im Boden, weil Issa sich denkbar mundfaul und flegelig verhält. Parallel dazu trägt sich noch eine andere Geschichte zu: Issa fischt eines Tages eine große Statue aus dem Wasser, den Gott Apollo mit kriegerisch erigiertem Penis. Der bricht leider dank Issas Ungeschicklichkeit ab, dennoch kriegen die Behörden Wind von der Sache, kassieren den Gott und buchten Issa gleich mit ein. Die ganze Farce löst sich zu Issas Gunsten auf, und ermutigt von seiner neu gewonnenen Freiheit stiefelt er los und offenbart sich Silham im Treppenhaus, Leila kommt mit dazu, fängt an zu kichern, steckt damit die beiden anderen an, und in herzhaftem Gelächter geht die ganze Geschichte gut aus, auch wenn die aus dem Wasser dahintreibenden frisch Verliebten am Schluss noch Krach mit den israelischen Grenzschützern kriegen, weil sie ganz selbstvergessen die Drei-Meilen-Zone verlassen haben…
Der Film ist kurz gesagt – nett (und ich meine nicht die kleine Schwester von „scheiße“…). Lakonisch, trocken, nahe am Alltag lebt er ganz vom Charme der beiden knarzigen Hauptfiguren, die natürlich auch wunderbar gespielt werden. Die einfältigen, aber eigentlich auch nicht total bösartigen Uniformträger kriegen ihr Fett weg, aber ansonsten wird hier gar nicht über Politik gesprochen, was nicht heißen soll, dass sie nicht dennoch stets präsent ist. Mal rauscht ein Düsenjäger über die Stadt und man hört einen entfernten Bombeneinschlag, mal kracht irgendwo eine kurze Schießerei los, und die Israelis erinnern die Leute in Gaza daran, dass sie mehr oder weniger umzingelt leben, so wie auch Issa täglich die Grenze hin und zurück passieren muss. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass die Menschen von Gaza diesen Zustand offenbar längst als unabänderlich hingenommen und sich damit abgefunden haben, keiner verliert ein Wort darüber, so ist halt ihr Alltag, es lässt sich nicht ändern. Man arrangiert sich mit dem ewigen Stromabschalten, den kargen Lebensverhältnissen und macht das beste draus. Man lebt halt trotzdem, versucht, soviel Normalität wie nur irgend möglich zu erreichen, soviel, wie unter diesen grundsätzlich ja nach wie vor grausamen und absurden Umständen überhaupt nur möglich ist. Ich habe das in anderen Nahost-Filmen schon zugespitzter und irgendwie mitreißender gesehen (ich denke nur an „Die syrische Braut“), aber dieser Film geht halt seinen eigenen Weg, gibt sich unaufgeregt und bemüht sich eher um Impressionen aus dem täglichen Leben, das sich Menschen wie Issa, Silham und all die anderen eingerichtet haben. Auf seine verschmitzte Weise ist „Gaza mon amour“ also eine Hommage an das Menschsein wider alle Politik und ein Plädoyer dafür, dass auch unter solch lebensfeindlichen Bedingungen eine ganz simple Liebesgeschichte möglich sein kann. Nette Geste, netter Film. » (28.7.)