Hinterland von Stefan Ruzowitzky. Österreich/Luxemburg/BRD, 2021. Murathan Muslu, Liv Lisa Fries, Max von der Groeben, Marc Limpach, Aaron Friesz, Stipe Erceg, Margarethe Tiesel, Matthias Schweighöfer

   Noch’n traumatisierter Kriegsveteran, diesmal aber ein paar Jahre und ein paar Kriege früher: Perg kehrt irgendwann in den 20ern nach langjähriger, grauenhafter Kriegsgefangenschaft bei den Russen zurück nach Wien. Die Stadt und ihre Leute sind noch immer gekennzeichnet vom Trauma des verlorenen Krieges und des untergegangenen Kaiserreiches. Ein paar barbarische Morde geschehen, Perg merkt, dass es Leute aus seiner alten Kompanie sind, und weil er früher selbst ein ziemlich prominenter Bulle war, wird er trotz verschiedentlich geäußerter Bedenken kurzerhand wieder in den Polizeidienst gesteckt. Eine smarte Forensikerin steht ihm zur Seite, die beiden bändeln kurz mal an, doch eigentlich hat er noch Frau und Kind draußen auf dem Lande, und dorthin geht er letztlich auch, als der finstere Fall gelöst und er gerade so mit dem Leben davongekommen ist.

   Caligari meets Der dritte Mann oder so ähnlich. Die Story an sich reißt keinen vom Hocker, das heutzutage leider übliche Serienmördergemetzel, ohne das kaum noch eine Kriminalgeschichte auskommen kann - Abstufungen lassen sich höchstens im Krankheitsgrad der ausgedachten Tötungsarten ausmachen, und die hier beteiligten Autoren scheinen allesamt eine besonders schwere Kindheit gehabt zu haben, denn was die sich so haben einfallen lassen, du lieber Himmel… Gottlob gibt’s aber genug Dinge, die den Film durchaus sehr sehenswert machen. Die Atmosphäre wird auf eindrucksvoll konsequente Weise sehr düster gehalten, die äußeren und inneren Anzeichen einer tief getroffenen, eigentlich zerstörten Gesellschaft werden vielleicht nicht mit soziologischer Sorgfalt, dafür aber mit besonderer Bildkraft sichtbar gemacht. Eine im Rechner visualisierte Kunstwelt ist entstanden und wird auch ganz deutlich als solche ausgestellt - schiefe, gekippte Perspektiven und Fassaden, drohend ragende Gebäude, verzerrte Straßenfluchten, dunkel verwischte Hintergründe, fratzenhafte Gesichter, düstere Gestalten überall. Ein stilisierter Alptraum, in dem Menschlichkeit und Hoffnung kaum einen Platz haben scheinen, außer vielleicht im Gemüt der oft fast unpassend hell gekleideten Frau Doktor, doch abgesehen von ihr ist diese Welt bevölkert von resignierten Kriegsverlierern, feist triumphierenden Kriegsgewinnlern, und allesamt müssen sie irgendwie überleben und sich eine Zukunft ohne Kaiser aufbauen. Pergs Geschichte führt zurück in die Hölle des sibirischen Lagers, und auch ohne die exzessive Brutalität hätten wir verstanden, was dort mit Menschen geschehen ist. Ein Blick auf ihre zerschundenen Körper und in ihre leeren Gesichter sagt mehr als irgendwelche apokalyptischen Erzählungen.

 

   Naja, Ruzowitzky hat es in seinen besseren Filmen verstanden, die Gesetze des Genres zu bedienen und dennoch eine eigene Handschrift zu bewahren, und das ist ihm auch diesmal gelungen. Der Film ist dunkel, spannend, ausdrucksstark und in seiner gesamten Gestaltung natürlich schon etwas Besonderes. Eine Hommage an alte Traditionen einerseits, vielleicht aber auch ein Versuch, mit gestalterischen Mitteln eine Art Psychogramm zu erstellen, und das finde ich schon ganz überzeugend und interessant. Für Projekte dieser Art finden sich im alten Europa doch wahrlich genügend Abgründe, die bebildert werden wollen… ˜˜˜˜ (20.10.)