Ich bin dein Mensch von Maria Schrader. BRD, 2021. Maren Eggert Dan Stevens, Sandra Hüller, Hans Löw, Wolfgang Hübsch, Annika Meier, Jürgen Tarrach

   Maria Schrader hat’s drauf – als Schauspielerin, aber auch als Regisseurin. Die beiden Filme, die ich zuvor von ihr gesehen habe („Liebesleben“, „Vor der Morgenröte“) sind schon wirklich klasse, aber dieser neue hier übertrifft seine Vorgänger nochmal. Ein ebenso ungewöhnlicher wie ungetrübter Kinogenuss, eine Sci-Fi-Romanze zwischen Satire und Philosophie, immer ganz nahe dran an unserer zunehmend absurden und kopflosen Gegenwart, dennoch zugleich auch zärtlich und bisweilen ein wenig melancholisch. Bezaubernd und charmant, das muss man so erst mal hinkriegen.

   Eine Wissenschaftlerin am Berliner Pergamonmuseum erklärt sich bereit, an einem Projekt teilzunehmen, weil ihr zusätzliche Gelder für die eigenen Forschungen in Aussicht gestellt werden. Ein Unternehmen namens Terrareca produziert Humanoide und programmiert sie so, dass sie jeweils möglichst perfekt den Wünschen ihrer Kunden entsprechen sollen., Alma nun wird eine der Testpersonen sein, soll heißen, sie wird mit Tom, der nach ihren Angaben designt wurde, für einige Wochen zusammenleben und danach Bericht erstatten, so jedenfalls der Plan. Die ehrgeizige und im Grunde recht einsame Alma verhält sich zunächst spröde, ablehnend und macht Tom immer wieder klar. dass sie gar kein Interesse an einer Beziehung hat. Ihr Ex scharwenzelt immer noch um sie herum, hat aber schon ne Neue, und ansonsten gibt’s noch den demenzkranken Vater, der sie und ihre Schwester ordentlich auf Trab hält. Der Rest ist Arbeit, und der smarte Tom, der wie ein Bilderbuchschönling aus den 60ern aussieht, hat in diesem System zunächst keinen Platz. Doch langsam aber sicher verändert sich Almas Haltung, Gefühle kommen ins Spiel, und plötzlich sieht sie sich mit ganz elementaren Fragen des Lebens, der Liebe und den Vorstellungen vom Glück konfrontiert.

   Wie soll es also aussehen, unser Glück – brauchen wir den „idealen“ Partner, die „perfekte“ Beziehung, wie soll das überhaupt aussehen, kann es sowas überhaupt geben? Schlagen wir uns lieber ewig mit irdischen, menschlichen Schwächen, Konflikten und Unzulänglichkeiten rum oder vertrauen wir uns am Ende lieber einer künstlichen Intelligenz an, makellos, auf den Punkt unseren Erwartungen entsprechend, aber eben nicht menschlich. Wir sehen Tom immer wieder mit Almas Blick, und immer wieder fasziniert uns die Ambivalenz, die darin liegt, Ein smarter, kluger, schöner Kerl, der ein festes Repertoire von Klischeephrasen auf Lager hat, die er erstmal ausprobiert, dann aber auch aus seinem Repertoire streicht, falls er nicht auf Begeisterung stößt. Eine lernende Maschine, die aber auch etwas leicht Abgründiges hat, eine gewisse Kälte. Seine Klugheit allerdings hilft Alma in einigen Situationen ganz schön, und irgendwie schafft er es, ein paar stumm gewordene Saiten in ihr zum Klingen zu bringen. Denn natürlich wird ihre Sehnsucht von ihrer Einsamkeit geprägt und gesteuert, natürlich kann sie unmöglich nur für ihre Arbeit leben und natürlich ist sie ständig hin- und hergerissen zwischen rationalem Zweifel und unerwartet hochschwappenden Gefühlen, die sie zwischenzeitlich auch mal vergessen lassen, dass sie mit einem Roboter ins Bett geht. Denn ja, Sex geht auch, fast buchstäblich auf Knopfdruck, und wenn man sich erstmal drauf eingelassen hat, scheint’s ne Menge Spaß zu machen. Wenn nur der Morgen danach nicht wäre… In dem Miteinander der beiden liegt der besondere Reiz dieses Films. Schauspielerisch und inszenatorisch ist das großartig ausbalanciert und mit unerhört viel Fingerspitzengefühl aufbereitet. Hinreißend witzige Szenen wechseln ab mit anderen, stilleren Momenten, mal kommt ein bisschen romantische Magie ins Spiel, mal dominiert der nüchterne Alltag zwischen Pflegefall und Arbeitsfrust, wenn Alma zum Beispiel entdeckt, dass ihre Arbeit bereits von einer anderen gemacht und auch kürzlich veröffentlich wurde. Ihr innerer Kampf zwischen Vernunft und Gefühl ist ebenso eindrucksvoll dargestellt wie die moderne, großstädtische Gesellschaft im Ganzen, die ihre Träume und Wünsche durch Roboter oder gar Hologramme befriedigen lässt, und dieses Angebot begeistert annimmt, weil plötzlich ein jeder die Chance auf sein persönliches Glück hat. Und dieses Recht auf Glück hat eben jeder Mensch. Warum also nicht auf die Technik zurückgreifen, wenn sie doch soweit ist?

 

   „Ich bin dein Mensch“ ist ganz großes Kino – komisch, unberechenbar, nachdenklich, ironisch und klug. Maren Eggert ist wirklich toll in der Hauptrolle, aber auch Dan Stevens kriegt den manchmal täuschend menschlichen Roboter perfekt hin. Wenn die Frau Schrader weiterhin so gute Filme macht, dann freu ich mich auf jeden neuen, auch wenn‘s immer etwas lang dauert… ˜˜˜˜˜ (6.7.)