Lindenberg! Mach dein Ding von Hermine Huntgeburth. BRD, 2020. Jan Bülow, Max von der Groeben, Detlev Buck, Julia Jentsch, Charly Hübner, Ella Rumpf, Ruby O. Fee, Saskia Rosendahl, Leonard Kunz, Claude Heinrich

   Aus Udo Lindenberg hab ich mir nie viel gemacht – nicht aus dem Stadionrock, den er seit dreißig Jahren oder so praktiziert, nicht aus seinen „coolen“ Sprüchen, die mittlerweile in die Alltagssprache übergegangen sind, und auch nicht aus seiner unentwegten Selbstdarstellung, die er ja nun auch noch als Maler fortgesetzt hat. Deshalb hab ich dieses Biopic im ersten Anlauf erstmal ausgelassen, bin jetzt aber doch ganz froh, das noch nachgeholt zu haben, denn obwohl der Film sicherlich jetzt keinen neuen Fan aus mir gemacht hat, hab ich mich doch einhundertvierzig Minuten lang ziemlich gut unterhalten über Episoden und Anekdoten aus Lindenbergs Frühphase bis etwa Mitte der 70er, als er mit dem neu formierten Panikorchester im „Onkel Pö“ seinen sogenannten Durchbruch erlebt.

 

   In fröhlich durcheinandergewirbelter Reihenfolge werden Kindheitserlebnisse aus dem schönen Gronau vermixt mit Szenen aus den wilden Jugendjahren zwischen geschmissener Kellnerlehre und bitter lehrreicher US-Truppenbetreuung in Libyen, einer vorübergehenden Liaison mit einer reizenden Schönheit aus Ostberlin und schließlich den Jahren in Hamburg ab den späten 60ern bis rein in die frühen 70er, wo Lindenberg versucht, sich als Drummer einerseits mit Werbejobs über Wasser zu halten und andererseits Anschluss an die Jazz- oder Rockszene zu kriegen. Vor allem versucht er aber, sein titelgebendes „Ding“ zu machen, verfolgt mit fanatischer und durchaus manchmal auch zerstörerischer Beharrlichkeit eine Vision, die gar nicht mal so klar scheint, die ihm selbst wohl erst in dem Moment ganz klar wird, als er sich und das Panikorchester erstmals richtig in Aktion erlebt und spürt, dass er nun dort angekommen ist, wohin er wollte. Er ringt um kommerziellen Erfolg, eher noch um Selbstbestätigung und Anerkennung als Künstler und Bandleader, der sich ganz bewusst in deutscher Sprache ausdrücken möchte und sich damit klar distanziert vom gängigen Diktum, dass Deutsch noch immer die Sprache der Täter sei und nur Englisch in der Rockmusik zum Erfolg führen könne. Er begibt sich auf Irrwege, eckt an, gerät in zahlreiche Konflikte, stößt Familie und Freunde immer wieder vor den Kopf, alles auf dem Weg nach vorn oder nach oben oder wohin auch immer. Nicht gerade ein glattgebügelter Vorzeigestar, sondern ein linkischer, launischer, egozentrischer Typ, mal ein lieber Kerl und mal ein echter Arsch. Das hat mir schon mal gut gefallen, dass auch die destruktiven Anteile der Geschichte zwischen LSD-Trips und überreichlich Alkohol zumindest in Ansätzen umrissen werden, und ich persönlich brauche auch nicht die gesamte Palette an Exzessen, um mir vorstellen zu können, dass es schon ein gewisser Verdienst ist, diese wilden Jahre überhaupt überlebt zu haben und dass die Abstürze zum Teil sicherlich noch viel krasser waren als hier geschildert. Ist aber nicht wichtig, denn man kriegt schon mit, worauf es ankommt. Noch besser hat mir gefallen, dass ich halbwegs verstanden habe, was den Udo antreibt, was ihn prägt und was ihn letztlich auch so geltungssüchtig gemacht hat. Die Ursachen liegen sicherlich in der Kindheit, vor allem in der Person des Vaters, eines klobigen, klotzigen, oft auch bedrohlichen Mannes, der seine Familie mit Trunk und Spiel oft in Bedrängnis bringt und dem Sohn, der ihn offenkundig sehr bewundert, seinen Glaubenssatz einzubläuen versucht, dass aus den Lindenbergs noch wie was anderes außer Klempnern geworden ist. Immerhin schenkt er ihm auch ein Drum Kit zum Geburtstag, obwohl ihm Udos Neigung zur Musik und speziell zum Trommeln sehr fremd ist und er bis zuletzt nur Abfälligkeiten dafür übrighat. Raus aus der Provinz, das ist Udos Credo seit jeher, raus aus der Enge, dem Mief, der bedrückenden Eintönigkeit, ein Spinner und Träumer, mal liebenswert und mal völlig plemplem. Damen pflastern seinen Weg natürlich auch, vorzugsweise gescheiterte Affären, denen er mehr oder weniger nachhängt, und erst auf St. Pauli findet er so etwas wie eine Heimat zwischen Kiez und Suff und Partys und dem Kater danach, wo er sich so hartnäckig an den Blödmann von Teldec klemmt, bis er schließlich seinen ersten Plattenvertrag unter Dach und Fach hat. Wie authentisch all dies ist oder ob all dies am Ende nur zur Zementierung des Lindenberg-Mythos‘ beitragen soll, war mir ehrlich gesagt total schnuppe, denn es ist lustig und auch ein bisschen bewegend, und vor allem die Hamburger Szenen sind Klasse, lassen ein Stückchen wehmütiger Kulturgeschichte wieder auferstehen. Die Regie macht Tempo, das Drehbuch hat ein gutes Gefühl für prägnante Momente, und  Ausstattung und Kamera sind erste Sahne, schön speckig, schmuddelig und dicht dran, die Musik ist laut, die Luft ist diesig und die Leute sind es meistens auch. Reine Nostalgie, aber egal, denn es ist schön und kommt gut rüber. Die Schauspieler machen besonders viel Spaß, Jan Bülow als Udo ist schon eine Show, und auf den alten Udo am Schluss hätt ich gerne verzichtet, aber das war wohl nicht zu umgehen, das der noch das letzte Wort haben muss. Trotzdem ein sehr kurzweiliges und gefühlvolles Porträt eines eigensinnigen Künstlers, und da mir selbiger nicht so sehr am Herzen liegt, brauchte ich mich diesmal nicht mit sowas wie Authentizität herumzuärgern, sondern hatte einfach meinen Spaß. ˜˜˜˜ (24.08.)