Nebenan von Daniel Brühl. BRD, 2021. Daniel Brühl, Peter Kurth, Rieke Eckermann, Gode Benedix, Aenne Schwarz

   Es fängt – wie so oft – äußerst vielversprechend an: Ein richtig schön eitler Wessischnösel Daniel (Schauspieler auf dem Weg zum Casting in London) wird in seiner Berliner Kiezkneipe von einem irgendwie komischen Ossi Bruno angequatscht und ist erstmal nur genervt, doch je mehr die Ossi quatscht, desto mehr Wissen über Daniels Familienleben offenbart er. Und je mehr Daniel nun also hören will, desto mehr wird er in den Abgrund gezogen.

   Das geht dann – auch wie so oft – erstmal gut los, ein bisschen schräg, ein bisschen fies, auch schon ein bisschen abgründig (vor allem natürlich durch das wie immer famose Spiel von Peter Kurth), aber alles noch schön dicht dran am Alltag und durchaus realistisch (verbitterter Ossi gegen blasierten Wessi undsoweiter), doch irgendwann so auf der Mitte spüre ich deutlich, wie meine Aufmerksam nachzulassen beginnt, wie sich der Eindruck breitmacht, dass Buch und Regie nicht so ganz genau wissen, wie sie dieses Ding jetzt über die Zeit bringen wollen. Wieviel Eskalation soll‘s noch sein, wieviel Entblößung und Demütigung soll der doofe Wessi noch ertragen, oder gibt’s zur Abwechslung mal ne Chance, dass er zurückschlägt und sich endlich ein Kämpfchen auf Augenhöhe ergibt? Diese Hoffnung zumindest erfüllt sich nicht – mit vermutlich stasierprobter Gründlichkeit und Gnadenlosigkeit macht sich Bruno daran, das Ehe- und Familienleben seines Nachbarn kurz und klein zu hauen, bis nichts mehr davon übrig ist, bis jede Lüge, jeder Seitensprung ans Tageslicht gezerrt wurde. Als Motivation für sein perfides Treiben nennt er so etwas wie Neid – ich konnte euer Gelächter nicht mehr ertragen, vermutlich nachdem sein alter Vater seine alte Wohnung räumen musste, um im Rahmen der bekannten Gentrifizierung Platz zu machen für die schicken Wessis. Dieses merkwürdig schwache Motiv ist ein Beispiel für die vielen kleinen falschen Töne, die hier mitmischen. Der Regisseur Daniel Brühl bleibt formal allzusehr im Theaterhaften hängen, verlässt sich auf den Text und die Klasse der Schauspieler, versäumt es aber, ein paar eigene Akzente zu setzen. Und der Autor Daniel Kehlmann versucht sich abwechselnd an der Sozialkomödie, an der Satie, am Psychothriller, aber weder für sich genommen noch im Kombinat will diese Mischung funktionieren. Daniel ist ein so blasses, wohlfeiles Opfer, das todsicher in jedes Fettnapf latscht und sich von vorn bis hinten so unsympathisch und selbstgefällig verhält, dass jegliche Form von Empathie für ihn offenbar nicht erwünscht ist. Bruno, er unscheinbare nette Kerl von nebenan mit dem Stalker-Hirn und dem finsteren Blick wiederum ist so infam und bedrohlich, dass zumindest ich für ihn keinerlei Sympathie oder auch nur Verständnis entwickeln mochte. Für einen simplen Hahnenkampf Ossi gegen Wessi ist die Chose am Ende zu ernst, für ein schönes Psychoduell sind die Charaktere wiederum zu platt und eindimensional. So geht die im ersten Teil durchaus effektvoll aufgebaute Spannung zunehmend verloren, weil die Story sich nicht entwickelt, keine Überraschungen mehr bereithält. Als Daniels Frau schließlich auftaucht und beide sich wortlos solidarisieren und dem Ossi einen starken Abgang vorspielen wollen, wäre nochmal die Gelegenheit für eine Wendung gegeben gewesen, doch dann zieht die Dame Leine, Daniel bleibt belämmert stehen, und es fällt ihm nichts Besseres ein, als Brunos Schädel auf die Kneipentheke zu donnern, der ultimative Ausdruck der Hilflosigkeit.

 

   Und so werden nacheinander sämtliche Möglichkeiten vertan, dieser Konstellation mehr Pep abzuringen. Möglich gewesen wäre es, Kurth und Brühl sind wie gesagt Klasse und ein Vergnügen (obwohl ich mich zwischendurch mal gefragt habe, ob der Brühl wirklich der Richtige für diese Rolle ist), der eine oder andere witzige Schlagabtausch zu Beginn macht Appetit auf mehr, doch im Abgang erschein mir dieser Film wie so viele vor ihm – halb gut, im Ansatz interessant, hätte was draus werden können, ist aber nicht leider so richtig was draus geworden außer einer Exklusivvorstellung zweier toller Darsteller. ˜˜˜ (22.7.)