Respect von Liesl Tommy. USA, 2021. Jennifer Hudson, Forest Whitaker, Marlon Wayans, Marc Maron, Saycon Sengbloh, Hailey Kilgore, Albert Jones, Tate Donovan, Tituss Burgess, Gilbert Glenn Brown, Audra McDonald, Mary J. Blige

   Aretha Franklin hatte eine von diesen seltenen Stimmen, die ganz tief gehen, eine Stimme von unvergleichlicher Ausdruckskraft und Schönheit, die Stimme des Soul sowieso. Keine kommt ihr gleich, auch natürlich Jennifer Hudson nicht, die hier als Aretha zu sehen ist, aber sie kniet sich wirklich bewundernswert in die Aufgabe und liefert als Sängerin und auch Schauspielerin eine echt starke Performance, die schon mal eine Menge „Respect“ verdient. Der Film an sich ist eher so-so, eine dieser typischen Biographien, wie man sie in den letzten Jahren immer mal wieder sieht, leider wenig inspiriert geschrieben und inszeniert und beachtlich zumeist allein durch die Hauptperson, die porträtiert wird, ihr Leben, ihre Kunst.

   Was Leben angeht, hat die Franklin natürlich eine Menge zu bieten, auch eine Menge Yellow-Press-Zeug, das hier ebenso artig Erwähnung findet wie die anderen wichtigsten Daten und Facetten ihrer Biographie: Die Tochter des prominenten Predigers, die als kleines Kind praktisch schon Mutter wird, die engagierte Bürgerrechtlerin und Vertraute Martin Luther Kings, die begnadete Sängerin, die etliche Jahre und halbgare Popplatten für Columbia überstehen muss, um endlich dort anzukommen, wohin sie immer wollte. Vor allem eine Frau, die sich ihr halbes Leben lang mit den verschiedensten Erscheinungsformen der mittlerweile sprichwörtlich gewordenen toxischen Männlichkeit auseinanderzusetzen hat, bevor sie sich dann mit den Aufnahmen zu ihrer legendären Gospel-LP „Amazing Grace“ offenbar von einigen ihrer Dämonen befreien kann. Zu nennen wären der herrische, despotische Vater, der das Talent seiner Tochter ganz in seinem Sinne benutzen will und von dem sie natürlich nie ganz loskommt, der nette Onkel, der eines Abends zu ihr ins Zimmer tritt und hinter sich die Tür schließt, der jähzornige, eifersüchtige Ehemann Ted, der mit seiner Frau in erster Linie viel Geld machen will, oder auch der Produzent John Hammond, der die Stimme der jungen Aretha in seichte Popmusik zwängt und dem unsicheren Mädchen keinen Raum zur Entfaltung bietet. Immerhin gibt’s auf der Haben-Seite aber auch ein paar „gute“ Männer: Ihr Tourmanager Ken, Vater ihres vierten Kindes, ist einer davon, und der rührige Jerrys Wexler, der ihr endlich auf den richtigen Weg hilft, auf jeden Fall ein weiterer. Den oder die Väter ihrer beiden ersten Kinder gibt sie niemals preis, doch die oft erwähnten Dämonen wird sie nicht mehr los. Nicht nur Alkohol und etliche Ausfälle, sondern auch einige ihrer Beziehungen tragen diese Spuren, zum Beispiel die Ehe mit Ted White, von dem sie erst nach vielen demütigenden und schmerzhaften Szenen loskommt, oder auch die zum Vater, von dem sie sich erst spät wenigstens ein wenig emanzipieren kann.

 

   Als Biopic ist „Respect“ sehr konventionell, er hakt ein paar wichtige Daten und Themen bis 1972 ab, vermag es aber nicht, interessante Schwerpunkte zu setzen oder neue Einsichten anzubieten. Wenn da nicht die Musik oder die beeindruckende Persönlichkeit Aretha wären, könnte man das Ganze schnell vergessen als ein Film unter vielen ähnlichen. Die erste wirklich starke Szene ergibt sich, als Aretha frisch in Muscle Shoals angekommen ist und sich mit den Jungs im Studio zusammensetzt, um „I never loved a man…“ aufzunehmen. Die schwarze Soul-Lady und die weißen Jungs aus dem Süden tasten sich regelrecht an den Song heran, tasten auch sich gegenseitig erstmal ab, probieren verschiedene Arrangements und Tempi aus, bis es plötzlich Klick macht und die Magie funktioniert. Da ist eine toll realisierte und toll getimte Sequenz, die vieles von der Faszination der Musik nachfühlbar machen lässt und auch davon, wie ein Song entsteht und wieso er letztlich so geworden ist, wie er ist. Und die natürlich vor allem herausstellt, wie sehr Aretha zu ihren besten Zeiten als komplette Künstlerin involviert war und nicht nur ihre Stimme ausgeliehen hat wie so viele andere ihrer Zunft. Von dieser Sorte ergeben sich auch später noch ein paar Momente, und sie sind mir neben einigen sehr überzeugend nachgespielten Konzertauftritten die liebsten in diesem Film. Der nach altbewährtem Schema alles irgendwie unter einen Hut zu kriegen versucht (und sich dafür ja auch annähernd zweieinhalb Stunden Zeit nimmt) und unweigerlich nichts so richtig anpackt. Statt mal den Mut zu haben, sich vielleicht nur auf eine konkrete Situation zu konzentrieren, eilt er von Station zu Station, die eine gelingt ihm besser, die andere wieder nicht, und wieder mal ertappe ich mich bei dem innigen Wunsch, es möge mal ein einziges Hollywood-Biopic des Wegs kommen, das einen anderen Weg beschreitet und nicht einfach nur den üblichen Lebenslauf abfilmt. Aretha, ihre Person, ihr Leben, ihre Bedeutung, hätte weißgott Stoff genug dafür hergegeben, aber okay – ich genieße die Musik und den sehr authentisch nachempfundenen Zeitkolorit der 50er und 60er und schlucke alles andere einfach runter. Irgendwoher müssen sie ja kommen, die Magengeschwüre… ˜˜˜ (28.11.)