C’mon, c’mon (Come on, come on) von Mike Mills. USA, 2021. Joaquin Phoenix, Woody Norman, Gaby Hoffmann, Scoot McNairy, Jaboukie Young-White, Molly Webster
Soviel zum Thema „Erwartungen“: Erwartet, oder besser erhofft hatte ich einen gefühlvollen, poetischen, charmanten Road Trip durch das Amerika von heute mit möglichst vielen interessanten Interviews mit jungen Menschen aus dem Amerika von heute und meinetwegen noch einer Freundschaft zwischen einem erwachsenen Mann und einem neunjährigen Jungen. Bekommen habe ich all dies höchstens in Ansätzen und im Ganzen auf keinen Fall so rundum gelungen, wie es der Name des Autor/Regisseurs versprach. Vor allem „Jahrhundertfrauen“ war große Klasse, aber sein Nachfolger reicht leider in keiner Weise an ihn heran.
Oder doch, in einer schon: Die Optik diesmal ist grandios, betörend schöne, schwebende Schwarzweißbilder aus urbanen Landschaften, und dafür allein kann man auf jeden Fall den Gang ins Kino wagen, denn besonders auf großer Leinwand entfaltet sich so ein buchstäblicher Augenschmaus. Und die Idee, quer durch die Staaten zu reisen, von Detroit über L.A. und NYC bis runter nach New Orleans und überall junge Menschen nach ihren Befindlichkeiten, Hoffnungen, Ängsten, Wünschen und Träumen zu befragen wäre ganz wunderbar dazu geeignet, ein Bild der USA hier und heute zu entwerfen. Aber irgendwie hat Mike Mills diesen Themenstrang nie ganz konsequent durchgezogen, verliert immer wieder für längere Zeit aus den Augen, um sich der Beziehung von Johnny und Jesse zu widmen. Dann mal wieder ein paar kurze Interviewschnipsel, auch über dem Abspann, doch wenn ich konzentriert zuhöre, kriege ich nicht viel mehr als vage Allgemeinplätze und nur wenig, was mir wirklich etwas über das Leben in den USA heutzutage sagt. Oder aber, und das ist ja auch nicht ganz abwegig, ich sehe ein, dass die Kids dort drüben die gleichen Gedanken, Pläne und Befürchtungen haben wie die Kids überall in der westlichen Welt sonst auch. Dann allerdings hätte Mills mit diesem Projekt herzlich wenig erreicht.
Auch sonst gibt sich das Tempo recht schleppend, aber nicht im positiven Road-Movie-Sinne, sondern wirklich so, dass mir die knapp zwei Stunden nach hinten raus ewig lang erschienen. Vieles, das sich zwischen Onkel und Neffen abspielt, wiederholt sich auf die Dauer, die schrägen Kapriolen des Jungen werden ermüdend, sein Gerede (zum Beispiel über Resilienz) wirkt angesichts seines Alters manchmal ziemlich absurd, und obwohl Woody Norman seine Sache wirklich hervorragend macht, finde ich die Figur Jesses im Ganzen nicht sehr überzeugend. Auch mit Johnny bin ich nicht so recht warm geworden, einem typischen, struppig-mürrisch-düsteren Joaquin Phoenix mit dem einen oder anderen Lächeln im Gesicht, mir allerdings ist er weitgehend fern geblieben.
Wie schon zu Beginn gesagt – alles eine Frage der Erwartungen. Meine finde ich hier eher nicht wieder, was jetzt aber auch nicht bedeuten soll, dass „Come on, come on“ eine totale Pleite ist. Nach wie vor macht Mills Filme, die auf sehr sympathische Art aus der Reihe tanzen und mit dem US-Mainstream nichts zu tun haben, und das allein ist schon aller Ehren wert. Und wem das auch nicht reicht, der kann sich immerhin an den herrlichen Schwarzweißimpressionen erfreuen. (13.4.)