Crimes of the future von David Cronenberg. Kanada/Griechenland, 2022. Viggo Mortensen, Léa Seydoux, Kristin Stewart, Scott Speedman, Don McKellar, Nadia Litz, Tanaya Beatty
Die guten Nachrichten zuerst:
Für alle Chirurgen: Operationen sind der neue Sex, der Sex der Zukunft. Es gibt einfach nichts Schärferes, als der Anblick eines Skalpells, das sich in frisches menschliches Gewebe versenkt und allerhand grässliche Dinge anrichtet, nur dass dies in der Zukunft eben niemand mehr grässlich findet.
Für alle Ökos: Das Problem mit dem Müll wird in Kürze möglicherweise gelöst sein, denn die Menschen fressen ihr Plastik ganz einfach selbst, weil sie ihren Verdauungstrakt entsprechend angepasst haben werden. Ein wahrer Segen der Evolution. Genial, gelt?
Nun die nicht so gute Nachricht: Ein wirklich überzeugender Film ist dem Altmeister des Body-Horrors dennoch nicht gelungen. Immer mal blitzt ein spannendes Schlaglicht auf, ein Gedanke, den es sich zu verfolgen lohnte, ein Stück grimmiger Satire auf das ewige menschliche Streben nach immer neuen Extremen und Kicks, auch was die Möglichkeiten des Körpers angeht. Kennen wir, wissen wir, wird hier auf eine ziemlich makabre Spitze getrieben, und indem Cronenberg garstige Ekelszenen mit morbider Erotik verbindet – eine bei ihm durchaus häufig anzutreffende Mischung – gibt er seiner Zukunftsvision einen zusätzlich abgründigen Dreh. Das Ganze wird dann in ein vage zukünftiges, karges post-industrielles Setting gepackt, um uns anzudeuten, dass hier von einer Zeit jenseits der Gegenwart die Rede ist, was aber für die beabsichtigte Aussage gar keine Rolle spielt, zumal die Menschheit, wie er uns zu verstehen geben möchte, längst heute schon dort angekommen ist.
Keine Frage, Cronenberg ist noch immer ein Gestalter sehr ungewöhnlicher, abseitiger Werke, die sich, wie auch dieses, einer klaren Zuordnung und Deutung versagen. Das ehrt ihn grundsätzlich, hat aber viele seiner Filme nicht unbedingt gerettet, auch diesen nicht. Was ihm auch diesmal ganz und gar nicht geglückt ist: Aus den einzelnen, durchaus vielversprechenden Zutaten ein stimmiges Ganzes zu formen. Das Drehbuch ist denkbar unkonzentriert, verliert sich zwischendurch in einer unübersichtlichen, verquasten Kriminalstory, baut zusätzliche Nebenhandlungen ein, die mich mit schöner Regelmäßigkeit vom eigentlich Spannenden abgelenkt haben. Auch eine Satire gegen immer extremere Formen der künstlerischen Performance blitzt immer wieder auf (in diesem Fall geht’s um rasant mutierende Organe, die im menschlichen Körper heranwuchern), und Cronenberg gelingen durchaus einige starke Momente, die die dunkle, schwarz schillernde Faszination einiger seiner früheren Filme erahnen lassen, doch dann hängt die Story plötzlich wieder minutenlang durch, schweift ab oder baut womöglich noch eine Seitenlinie ein, die ich nicht gebraucht hätte. Was dazu führt, dass ein paar zentrale Charaktere und Themen dann noch nicht ganz richtig entwickelt werden, obwohl ein paar sehr starke Schauspieler am Werk sind, die auch sehr stark spielen und ein etwas fokussiertes Drehbuch allemal belohnt hätten. So aber mäandert die Story zwischendrin immer mal ein bisschen ziellos hin und her, wechselt gruselige Highlights mit belanglosem Geplänkel, und alles in allem empfand ich den Film als deutlich zu langatmig und weit unter seinen Möglichkeiten bleibend. Leider ist Cronenberg mit diesem Film kein gutes Alterswerk gelungen, und ich frage mich, ob ihm das überhaupt noch gelingen wird… » (16.11.)