Das Mädchen mit den goldenen Händen von Katharina Marie Schubert. BRD, 2021. Corinna Harfouch, Birte Schnöink, Peter René Lüdicke, Jörg Schüttauf, Gabriela Maria Schmeide, Imogen Kogge, Stephan Bissmeier
Noch eine Schauspielerin, die sich als Autorin und Regisseurin versucht hat, aber damit hören die Gemeinsamkeiten mit dem zuletzt gesehenen Machwerk auch schon wieder auf, denn Katharina Marie Schubert ist ein durchweg sehr beachtenswerter und starker Film gelungen, der im Vergleich zu Eichhorns Film genau den entgegengesetzten Weg einschlägt: Er trägt seine Absichten nicht wie ein Banner vor sich her, sondern fordert heraus zum Mit- und Nachdenken und er hat vor allem auch die Substanz dazu.
Eine Geschichte aus der bereits abgewickelten DDR. Das Millennium steht vor der Tür, und Gudrun feiert in ihrem kleinen Heimatort irgendwo im Berliner Dunstkreis ihren 60. Geburtstag, genauer gesagt, sie lässt die Feierlichkeit mit säuerlicher Ergebenheit über sich ergehen, und als sie eher zufällig mitbekommt, dass ihr Freund und Bürgermeister beabsichtigt, jenes Kinderheim, in dem sie und viele ihrer Gäste aufgewachsen sind, an westliche Investoren zu verhökern, ist das Fest sowieso vorbei, denn Gudrun schwingt sich aufs Rad, stürzt davon und lässt viele ratlose Leute zurück. Später baut sie einen Unfall, erholt sich von der Gehirnerschütterung nie so richtig und versucht auch weiterhin, den Lauf der Dinge abzuwenden. Abgesehen davon geht es auch um ihre Tochter Lara die auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater ist und dabei auch mit der Vergangenheit ihrer Mutter in Kontakt gerät, und um ihren Partner Werner, der endlich mal etwas Außergewöhnliches tun möchte, aber nie so recht aus seiner Haut kann.
Eine Tochter, die von jeher vergeblich um die Liebe ihrer Mutter ringt, eine Frau, die verbissen um das kämpft, was sie für ihre Identität hält, ein Mann, der sich eigentlich am liebsten aus allem raushalten würde, am Ende aber doch den Mut aufbringt, ein Zeichen zu setzen. Viele Themen und noch viel mehr in gerade mal einhundert Minuten, doch geht der Film unter solcher Last nicht in die Knie, sondern verbindet die verschiedenen Motive ziemlich souverän und hat vor allem den seltenen Schneid, nicht jede Geschichte zu Ende spinnen zu wollen, im Gegenteil, vieles, eigentlich fast alles bleibt offen, es geht weiter, und wir mögen, wenn wir denn wollen, uns ausmalen, wie es weitergeht mit diesen Menschen hier. Die insgesamt ziemlich in der Luft zu hängen scheinen, die zum Teil die Flucht in die Stadt angetreten haben, so wie Lara, nur um wieder und wieder zurückzukehren, oder die vor Ort in der Provinz geblieben sind, teils aus Trägheit, teils aus Mangel an Perspektive. Manche geben bissige und aggressive Wessi-Witze zum besten, andere versuchen nach vorn zu blicken und sich zu arrangieren, wieder andere kleben am Vergangenen, haben Angst, sich ganz zu verlieren, einen allzu radikalen Ausverkauf zu betreiben und sich den kapitalistischen Räubern gänzlich zu unterwerfen. Sehr gekonnt werden unsere Sympathien verteilt, wechseln und schwanken von Szene zu Szene. Mal verstehe ich den Bürgermeister, der irgendwie versucht, eine Zukunft für seine kleine Stadt zu erkaufen, dann aber wirkt er wieder opportunistisch und feige. Gudrun ist einerseits bewundernswert in ihrer Kompromisslosigkeit, dann auch wieder unerträglich hart, selbstgerecht, kalt. Corinna Harfouch bietet eine ziemlich eindrucksvolle Vorstellung und schafft es irgendwie, ihre Gudrun nicht gänzlich von uns zu entfremden, obwohl sie teilweise fast unerträglich hart und versteinert wirkt, vor allem in der Art, wie sie ihre eigene Tochter immer wieder abkanzelt und vor die Wand laufen lässt. Es tut weh, dies mitanzusehen, und man versteht dennoch, wieso Lara nicht aufhört, gegen diese Wand anzurennen in der einen Hoffnung, doch einmal so etwas wie Anerkennung und Wärme zu finden. Dies ist starkes Schauspielerkino mit viel Gefühl und bedrückender Atmosphäre, vielleicht nicht immer ganz frei von Klischees, doch andererseits frei und unangepasst genug, diese Klischees nicht überhand nehmen zu lassen. Es gibt wohl noch so manche Geschichte zu erzählen aus der DDR und der Zeit danach, und so starke Filme wie dieser lassen mich freudig und erwartungsvoll auf weiter in dieser Art warten. » (23.2.)