Der Passfälscher von Maggie Peren. BRD/Luxemburg, 2022. Louis Hofmann, Jonathan Berlin, Luna Wedler, Nina Gummich, Marc Limpach, André Jung
Die knappen Sätze im Abspann rücken das Geschehen, soweit das nötig ist, wieder in die korrekte Perspektive. Hier mag es in erster Linie um einen Überlebenden gehen, doch in der überwiegenden Anzahl der Schicksale war das Ende ein anderes, endete das Leben nämlich in einem KZ oder vor einem Erschießungskommando, und so fanden alle der hier Beteiligten früher oder später den Tod – eben bis auf einen, jenen Passfälscher namens Cioma Schönhaus, einen Menschen von fast übermenschlichem Überlebenswillen, so scheint es. Als einziger seiner ganzen Familie entgeht er der Deportation gen Osten, und es gelingt ihm, in Berlin im Untergrund irgendwie den permanenten Nachstellungen der Nazis zu entgehen, und nicht nur das, es gelingt ihm auch noch, mit Hilfe seines Geschicks als Graphiker Pässe in größerer Zahl zu fälschen und damit offensichtlich einigen Menschen das Leben zu retten, obwohl im Film dieser Umstand leider nicht näher beleuchtet wird. Gemeinsam mit seinem Freund Det kann er den Verfolgern immer wieder entwischen, bis Det eines Tages doch verhaftet und später ermordet wird, genau wie später seine Freundin Gerda, Herr Kaufmann, der Geschäftsmann, für den er die Pässe fälscht, und viele andere auch. Cioma allein schafft die Flucht über die Grenze in die Schweiz, wo er sich eine neue Existenz aufbauen kann und bis ins hohe Alter lebt.
Ein höchst außergewöhnlicher Charakter, und die Regisseurin Maggie Peren hat diesem Umstand Rechnung getragen und sich sehr weitgehend auf diesen Charakter konzentriert und fast völlig auf das sonst übliche Beiwerk des Historiendramas verzichtet. Spannung entsteht hier auf ganz andere Weise, auch die Inhumanität der Nazizeit offenbar sich viel weniger in offener Gewalt, sondern eher in einer Art systemischer Gewalt. Die erfährt Cioma immer wieder am eigenen Leibe, doch erfährt er auch an entscheidender Stelle Hilfe von einer Person – seiner Vermieterin nämlich -, die sich bis dato als stramme Nationalsozialistin gegeben hatte, und die ihm nun auch nur beispringt, so sagt sie selbst, weil die Nazibonzen sich wie immer die Taschen vollstopfen und die kleinen leer ausgehen. Zuvor hatte sie dreist das gesamte Inventar aus der Wohnung der Familie Schönhaus verscherbelt und sich den Gewinn selbst in die Tasche gesteckt, und selbst der in höchster Not um Hilfe bittende Cioma wird noch um seine allerletzten Essensmarken gebracht.
Mit seinem eng gesteckten Personal und den sparsamen Räumlichkeiten ist dies eher ein Kammerspiel, eine Abfolge sehr ruhig und konzentriert inszenierter Szenen für zwei oder drei Personen, und selten nur sind mehr beteiligt, selten nur öffnet sich einmal der Blick. Die ständige Bedrängung die klaustrophobische Enge des Lebens im Untergrund, werden so auf bemerkenswerte Art und Weise deutlich, fast nachfühlbar gemacht, ohne dass Maggie Peren allzu tief in die Personen eindringen würde. Cioma selbst bleibt in vielen ein Rätsel – wie hat er den Verlust seiner gesamten Familie verkraftet, was treibt ihn an, was mag die Ursache für diesen enormen Überlebensinstinkt sein? Es gibt einige Momente von enorm intensiver Spannung, in denen dem jungen Mann ein extremes Maß an Beherrschung und Verstellung abverlangt wird, und manchmal habe ich mich gefragt, woher er diese außergewöhnlichen Ressourcen bezogen hat. Eine großartige Rolle jedenfalls für Louis Hofmann, den ich länger schon nicht mehr im Kino gesehen habe, und der sich hier mit einer ebenso großartigen Darstellung dafür bedankt, flankiert von einer insgesamt exzellenten Besetzung. Es geht hier um Menschen im Krieg, um Verfolgte, Überlebende, um Täter und Opfer, wobei die klaren Linien hier und da verschwimmen und man sehr klar sieht, dass dieses System natürlich von den allermeisten Menschen in Deutschland getragen wurde, dass dieses System aus diesen Menschen zugleich Täter und auch Opfer gemacht hat.
Ein sehr stark inszenierter und gespielter Film. von dem ich mir wie gesagt nur gewünscht hätte, dass er Ciomas Wirken etwas genauer unter die Lupe nimmt. Er bleibt faktisch bewusst vage, das ist schon klar, legt den Fokus anderswo, doch um seine Bedeutung als Systemfeind verstehen zu können, hätte ich gern ein paar mehr Informationen gehabt. » (25.10.)