El buen patrón (Der perfekte Chef) von Fernando León de Aranoa. Spanien, 2021. Javier Bardem, Sonia Almarcha, Almudena Amor, Manolo Solo, Óscar de la Fuente, Mara Guil, Celso Bugallo, Tarik Rmili, María de Nati

   Wie soll er also sein, der perfekte Chef? Ein gutmütiger Patron, der väterlich die Hände über seine Belegschaft ausbreitet und mit salbungsvollem Lächeln verkündet, sie alle seien seine Kinder und er fühle sich entsprechend für sie verantwortlich, und überhaupt sei die Firma für ihn eine einzige große Familie, in der man füreinander da sei. So einer ist Julio, Besitzer von Blanco-Waagen, einem traditionellen Familienbetrieb (den er vom Vater geerbt hat, wie später einmal spitz festgestellt wird), einem echten Musterbetrieb, der schon eine ganze Wohnzimmerwand voller Preis abgeräumt hat, und der nächste, der prestigeträchtigste steht kurz bevor, und nur noch eine Begehung durch die Prüfkommission muss bestanden werden, dann ist es soweit. Während Julio also eines Morgens seine Lieben um sich versammelt, um sie auf diese Prüfung einzuschwören, wird am anderen Ende der Halle ein Mitarbeiter entlassen und protestiert laut und anhaltend dagegen. Was zunächst nur ausschaut wie ein kleiner Schönheitsfehler auf der blitzeblanken Oberfläche von Blanco-Waagen, entpuppt sich als Auftakt zu einer langsam in Gang kommenden Eskalation, die unseren Julio zwischenzeitlich ganz schön ins Schwitzen bringt, und obwohl er am Ende tatsächlich die begehrte Trophäe an die Wand nageln lässt, bleibt sein Blick vorsichtig, denn hinter ihm steht der Mann mit der Bohrmaschine…

   Eine glänzende Satire, die mit zunehmender Dauer immer bissiger und garstiger wird, und zwar in dem Maße, in dem wir mehr und mehr hinter Julios joviale, freundliche Fassade blicken. Denn hier zeigt sich ein ganz anderer Charakter, ein waschechter Mistkerl, egozentrisch, rücksichtslos, intrigant, übergriffig, der sein ganzes Streben nur in seine Fabrik investiert, in seinen Ruhm, sein Image. Er ist überall vernetzt, ein geschickter Manövrierer, der gewohnt ist, zu bekommen, was er haben will, und das gilt gerade auch für junge, schicke Praktikantinnen, so wie die neue hier, die er verführt und dann nach alter Gewohnheit am liebsten wieder abschieben möchte, die sich aber diesmal nicht abspeisen lässt, sondern sich am Schluss als die noch geschicktere Intrigantin erweist und ihn glatt austrickst. Auch ein langjähriger Kollege und Weggefährte in einer akuten Ehekrise der oben erwähnte frisch entlassene Kollege bringen ihn mächtig in Bedrängnis, und mit sehr viel Akribie und scharfem Blick wird geschildert, wie sich Julio mehr und mehr in eine Position begibt, die nicht mehr in Einklang zu bringen ist mit dem Wunschbild des gütigen Onkels. Er überschreitet bedenkenlos alle Grenzen, mischt sich unentwegt in Privates ein, ignoriert jeden Widerstand. Sein Tunnelblick ist allein auf die Erringung jener Auszeichnung gerichtet, und er greift tatsächlich zu allen Mitteln, um dieses Ziel zu erreichen. Zuletzt wird aus einer Sozialkomödie ein bitterböses Drama, und wie Javier Bardem die stufenweise Wandlung des Julio gestaltet, ist schon grandios. Sehr lange habe ich kein solch fieses und wirkungsvolles Psychogramm im Kino gesehen – die Vorfahren Buñuel und Saura wären wahrlich stolz darauf gewesen. Die Selbstverständlichkeit, mit der Julio Gesetze und Hindernisse überwindet und beiseite räumt, wie er Strippen zieht, Menschen manipuliert, unter Druck setzt, fallen lässt, finde ich atemberaubend, und dabei verliert er so gut wie nie die Contenance – ein einziges Mal eigentlich nur, ein wüster Wutausbruch allein im Bad, und der ist dann umso erschreckender und unheimlicher. Bardem könnte wahrscheinlich niemals unkomplizierte, eindimensionale, leicht zu durchschauende Charaktere spielen, aber hier blicken wir für ein paar Sekunden in einen besonders tiefen, dunklen Abgrund, der sich sofort wieder schließt, als Julio die Fassung zurückgewinnt und weiter macht wie zuvor.

 

   Ein Film von der Sorte, der einem das Lachen im Hals steckenbleiben lässt und der wie jede gute Satire hinter der Verzerrung oder Überzeichnung eine sehr unschöne und leider allzu allgegenwärtige Realität durchblicken lässt. Sehr treffend, genussvoll böse und absolut universell im Befund – große Klasse! ˜˜˜˜˜ (10.8.)