Margrete den første (Die Königin des Nordens) von Charlotte Sieling. Dänemark/Schweden/Norwegen/Island, 2021. Trine Dyrholm, Morten Hee Andersen, Søren Malling, Jakob Oftebro, Thomas W. Gabrielsson, Markus Krepper, Bjørn Floberg, Paul Blackthorne, Agnes Westerlund Rase, Linus James Nilsson, Simon J. Berger
Um mal im Bild zu bleiben: Es ist was faul im Staate Dänemark anno 14soundso. Die gute Margarete I., die ungekrönte Herrscherin des Nordens, hat mit viel Mühe, Geschick und Willen gerade mal die sogenannte Kalmarer Union von 1397 geschaffen und damit die skandinavischen Reiche Dänemarks, Schwedens und Norwegens erstmals unter einen Hut gekriegt und damit endlich eine ernstzunehmende Gegenmacht für den Deutschen Orden etabliert, und nun ist sie drauf und dran, ihren Adoptivsohn Erik mit der englischen Prinzessin Philippa zu verheiraten und damit eine haltbare Allianz mit England einzustielen, und die einst verfeindeten Nationen scheinen tatsächlich gewillt, das Kriegsbeil wenigstens vorübergehend zu begraben im Dienste der größeren Sache – und dann taucht plötzlich ein Typ auf, behauptet, Margaretes für tot gehaltener Sohn Oluf zu sein und damit Anspruch auf den Thron zu haben. Dies allerdings würde die Kalmarer Union vermutlich sehr gefährden damit Margaretes schöne Pläne im Ganzen. Zunächst erklärt sie rigoros, dass dieser fremde Mann aus Pommern nicht ihr Sohn sein kann, dann jedoch befallen sie Zweifel, und mehr und mehr nähert sie sich der Möglichkeit an, der Fremde könne eben doch ihr Sohn sein, der fünfzehn Jahre lang gefangen gehalten statt einfach, wie ursprünglich geplant, umgebracht worden war. Und nun beginnt ein wildes und zunehmend hässliches Gerangel um die Macht, und Margarete, die so stolz darauf war, endlich Frieden im Lande zu haben, muss einsehen, dass man für seine Ziele manchmal große Opfer bringen muss, und selbst als der Fremde letztlich auf dem Scheiterhaufen endet, ist sie immer noch nicht sicher, ob sie nicht gerade ihren eigenen Sohn verbrennen lässt, nur um die Union und den Deal mit England zu retten.
Ein richtig schön wuchtig-düsteres Stück Mittelalter also, regnerisch, windig, dazu karge Kulissen, grimmige Gesichter und eine wahrhaft royale Mischung aus Machtgier, Schuld, Verrat, Intrige, Treue und was sonst noch alles. Charlotte Sieling macht als Regisseurin eine Menge richtig: Sie hält das zu diesem Genre gehörende Pathos angenehm im Zaum, sie hält die oft dazugehörige Geschwätzigkeit im Zaum und sie hält die leider auch sehr oft dazugehörige Gewalt im Zaum, konzentriert sich stattdessen auf Gesichter, lässt auch mal ein wenig Zeit zwischen den Dialogen vergehen, gibt uns damit die Möglichkeit, dem Gehörten und Gesehenen nachzuhorchen, statt wie gewöhnlich gleich weiter zur nächsten Szene zu eilen. Trine Dyrholms großartige Darstellung ist genauso angelegt. Weniger ihre Worte zählen als die Momente dazwischen, vor allem das, was sich in ihrem Gesicht abspielt, und das ist wie so oft gar nicht mal so spektakulär, das sind oft nur Nuancen, aber wie sie den jäh entstehenden inneren Kampf nacherlebt, den kaum zu ertragenden Zwiespalt zwischen Staatsräson und mütterlichen Gefühlen, den die Königin Margarete letztlich doch bewältigt, weil sie der festen Überzeugung ist, dass sie keine Alternativen hat, das ist schon große Schauspielkunst und allemal Grund genug, diesen Film anzuschauen. Die aus vielen tollen Filmen und Serien bekannten Gesichter um sie herum sorgen dafür, dass sich dieses Niveau bis in die Nebenrollen fortpflanzt, und das ist deshalb so wichtig und gut, als der Film somit viel mehr zu bieten hat als irgendwelche Schauwerte, Kostüme und Schlachten. Auf all dies kann nämlich weitgehend verzichtet werden, weil die Story Substanz hat und der zentrale Konflikt so stark ist, dass es nicht viel Drumherum braucht. Diese einzige Schwäche, die ich gesehen habe, ist der etwas lieblose Umgang mit der einen oder anderen Randfigur, aber wenn man nur zwei Stunden zur Verfügung hat, ist es irgendwie verständlich, dass ab und zu mal jemand aus der Geschichte rauskippt oder mittendrin plötzlich auftaucht und dann wieder abtritt, wie beispielsweise die isländische Amme, die ganz offenkundig gezwungenermaßen gegen Oluf aussagt und damit sein Schicksal besiegelt.
Es ist also was faul im Staate Dänemark, und es ist ein eindrucksvolles Historienstück daraus entstanden, das zum Teil wohl tatsächlich historisch ist, denn wie der Nachspann uns mitteilt, bleibt der Mann, der sich hier als Oluf, Sohn der Königin ausgibt, eine der geheimnisvollsten Gestalten der skandinavischen Geschichte, und seine Identität konnte bis heute nicht geklärt werden. Immer schön, wenn aus Geschichte oder Halb-Geschichte solches Vollblutkino entsteht. (10.1.)