Die stillen Trabanten von Thomas Stuber. BRD, 2022. Martina Gedeck, Nastassja Kinski, Albrecht Schuch, Lilith Stangenberg,  Adel Bencherif, Charly Hübner, Irina Starschenbaum, Peter Kurth

   Drei Geschichten aus einer nicht näher bezeichneten Großstadt in der ehemaligen DDR (sieht aus wie Leipzig, ist aber unwichtig). Zwei Frauen treffen sich regelmäßig im Bahnhofskiosk, die eine putzt für die Bahn, die anderen schneidet Haare nebenan. Eine vorsichtige Annäherung, eine Liebesgeschichte, sogar eine, aus der am Ende etwas werden könnte.  Jens ist Imbissbudenbesitzer und verliebt sich in Jana, die Ehefrau seines Nachbarn. Jana heißt jetzt Aischa, ist zum Islam konvertiert, und auch hier geschieht eine vorsichtige Annäherung. Ihr Mann Hamed wird ein guter Freund von Jens, nimmt ihn sogar mit zum Gebet in die Gemeinde. Doch Jens liebt Jana, die verletzlich ist und sich früher auch selbst verletzt hat, und eines Tages ist ihre Wohnung leer, die beiden sind einfach fortgezogen. Erik der Wachmann verliebt sich in eine junge Frau aus der Ukraine, die ihre Familie verloren hat, und dies ist dann die dritte vorsichtige Annäherung, die offen bleibt, zumal Erika zuviel Angst hat, dass sie verletzt werden könnte.

   Ein wunderbar inszenierter und von einem großartigen Ensemble stark gespielter Episodenfilm. Drei Geschichten, die einander an keiner Stelle berühren (anders als man es sonst häufiger antrifft in diesen Großstadtfilmen), die aber jede für sich so eindrucksvoll und präsent sind, dass ich nie den Faden verloren habe und immer gleich wieder mitten drin war, wenn der Fokus wieder wechselte. Der Ton ist, wie bei Thomas Stuber gewohnt, herb-spröde, die Milieus zwischen Bahnhofshalle, Plattenbausiedlung und alter Russenkaserne sind alles andere als glamourös und sicher nicht fürs Vorabendfernsehen geeignet, und die vorherrschende Stimmung ist melancholisch, von einer allseits dominanten, allerdings nicht zu erdrückenden Einsamkeit geprägt. Fast alle Hauptpersonen tragen sich damit, die einen mit mehr, die anderen mit weniger erzählter Vergangenheit, und es entsteht eine reizvolle Spannung daraus, dass sich die einen deutlich mehr offenbaren als andere, die mir etwas fern bleiben, aber eben nicht unangenehm im Sinne von fremd. In allen drei Geschichten wird von Begegnungen erzählt, in einem Fall ist es die Begegnung zweier recht ähnlicher Menschen (nämlich der beiden Frauen im Bahnhofscafé), in einem Fall ist es die Begegnung zweier Menschen aus (mittlerweile) sehr unterschiedlichen Welten (Erik und das Mädchen Marika), und im dritten Fall sind die beiden Menschen, die sich da begegnen, nur auf den ersten Blick recht verschieden, denn in ihrem ersten Leben mag Jana einiges mit Jens gemeinsam gehabt haben. Ängste und Traumata stehen vielfach zwischen diesen Menschen, manchmal auch nur bereits erfahrene Verletzungen und eine daraus entstandene Resignation. Mit sehr viel Gefühl und gleichzeitig genauer Beobachtung wird ausführlichen Dialogen geschildert, ob und wie es die Leute schaffen, diese Hindernisse zu überwinden – oder eben nicht. Das ist dann jeweils kein Gegenstand eines großen Dramas, weder die leere Wohnung, in die Jens konsterniert eintritt, noch die geöffnete Tür für Christa, der Film bleibt ein Film der leisen, fein nuancierten Töne, der starke Bilder findet für Sehnsucht, Hoffnung und eben die bereits erwähnte Einsamkeit.

 

   Mit „Herbert“ und „In den Gängen“ habe ich schon zwei sehr beeindruckende Filme von Thomas Stuber gesehen, „Die stillen Trabanten“ steht diesen beiden Vorgängern in nichts nach, vor allem weil es ihm gelingt, drei einzelne Geschichten zu erzählen, ohne Episoden zu werden oder die Dramaturgie ausfransen zu lassen, und die Klasse der Schauspieler hat dafür gesorgt, dass ich mich zwischendurch auf jeden Szenenwechsel gefreut habe, weil ich einfach wissen wollte, wie es mit den anderen weitergegangen ist. Tolles Kino, das Literatur und Milieu selten überzeugend miteinander verbindet. ˜˜˜˜˜ (20.12.)