Yö armahtaa (Eine Nacht in Helsinki) von Mika Kaurismäki. Finnland, 2020. Timo Torikka, Kari Heiskanen, Pertti Sveholm, Anu Sinisalo
Drei Männer, eine Kneipe, eine Nacht und reichlich guter Wein - unter normalen Umständen ist dies der Stoff, aus dem die Kultfilme fürs Arthauskino entstehen. Doch die güldnen Tage eines Jim Jarmusch sind gezählt, und auch der Name Kaurismäki, der über viele Jahre Garant für kultige spätabendliche Kinobesuche war, hat etwas von seinem Zauber verloren. Zumal es diesmal der andere, der ältere Bruder vom Aki ist, und mit Mikas Werk konnte ich bislang noch nie so richtig warm werden, und daran ändert diese Nacht in Helsinki bestimmt nichts. Sein Bruder hätte aus dieser Vorlage zweifellos einen seiner unvergleichlich spröden, schräg-poetischen Schweigerfilme gemacht, untrennbar verbunden mit altem finnischen Tango und schmuddeligen Ansichten einer unwirtlichen Stadt. Nun, finnischer Schlager ist immerhin noch mit im Spiel, doch die Bilder aus der Stadt sind irgendwie unverbindlich und wenig stimmungsvoll, und geschwiegen wird gar nicht, im Gegenteil, es wird reichlich gequatscht. Wäre auch kein Problem, es gibt ja einen Haufen Filme, in denen ganz wundervoll viel gequatscht wird (man denke nur an das unvergessliche Werk des Monsieur Rohmer), doch irgendwie will sich bei Mika Kaurismäki keine Magie einstellen, jedenfalls nicht bei mir. Ich hab den Unterhaltungen der drei Herren zugehört und mehr und mehr das Interesse verloren, und spätestens daran habe ich mal wieder gemerkt, dass es eine wahre Kunst ist, reine Dialogfilme zu machen, auch oder erst recht dann, wenn oft gar nichts Weltbewegendes geredet wird. Hier geht es sogar durchaus um größere Dinge – einen Totschlag, eine bedrohte Ehe, eine bedrohte Existenz in Zeiten der Scheißpandemie (die hier verschämt immer nur „Krise“ genannt wird), doch irgendwie hat Kaurismäki es nicht hingekriegt, einen Sog hinzukriegen, jene Faszination, die mich beispielsweise jedesmal von neuem für einen Rohmerfilm begeistert hat. Es ist ganz schwer, genau zu beschreiben, woran das liegt oder was genau fehlt, es ist eher eine Frage des Gefühls, und das hat sich bei mir diesmal nicht eingestellt, er sprichwörtliche Funke ist nicht zu mir rübergesprungen. Die drei Herren sind durchaus ganz sympathisch, die Schauspieler und das Setting insgesamt auch, doch vermag es Kaurismäki nicht so recht, Poesie und Atmosphäre zu erzeugen. Es bleibt also ein ganz netter Film, aber man weiß ja auch, was das Wort „nett“ ab und zu bedeuten kann. Vor allem eine klar verschenkte Chance, und ich habe mich zwischendurch immer mal bei der Frage ertappt, was Bruder Aki wohl aus der Story hätte machen können… » (2.2.)