Emily von Frances O’Connor. England, 2022. Emma Mackey, Oliver Jackson-Cohen, Fionn Whitehead, Alexandra Dowling, Amelia Gething, Adrian Dunbar, Gemma Jones

   Um die geheimnisvolle Autorin der legendären „Wuthering Heights“ ranken sich seit jeher allerlei Mythen und Märchen, und auch dieser Film hat ganz offensichtlich nicht das Bestreben, ein sorgsam recherchiertes Dokudrama zu sein. Es geht wohl eher um die Stimmung, das Gefühl und darum, einem wild romantischen Roman ein angemessen wild romantisches Hommage zu schaffen. Und ich finde, das ist Frances O’Connor, die hier als Drehbuchautorin und Regisseurin fungiert, ziemlich gut gelungen. Mich jedenfalls hat die Frage, ob und inwieweit denn das Geschehen hier auf realen Fakten beruht, niemals wirklich beschäftigt, ich habe ein sehr schön gestaltetes, herrlich altmodisches viktorianisches Romantikdrama genossen, das beschreiben möchte, wie die spröde Pfarrerstochter aus den kargen, ewig verregneten Yorkshire- Mooren zu sich selbst, zu ihrer Identität und ganz zuletzt dann auch zu ihrer Kunst fand, zu spät leider, denn bevor sie am schlechten Wetter verstarb, hatte sie nur die Zeit, dieses eine epochale Werk fertig zu stellen.

   Eine Frauengeschichte natürlich, die Geschichte dreier Schwestern, die in einem ebenso engen wie komplexen und zwiespältigen Verhältnis miteinander leben, vor allem Emily und Charlotte scheinen eine andauernde Rivalität auszutragen, die erst mit Emilys Sterben beendet werden kann, und die, so suggeriert der Schluss zumindest, gleichzeitig der Anfang von Charlottes schriftstellerischer Tätigkeit war. Emily wiederum wird vor allem von zwei Männern beeinflusst und geprägt: Vom ein Jahr älteren Bruder Branwell, ein opiumsüchtiger Freigeist, der sie ständig ermutigt, auch für sich jene Freiheit zu beanspruchen, die nötig ist, um sich verwirklichen und ausdrücken zu können. Und vom neu in die Gemeinde kommenden Pfarrer Weightman, der zunächst nur Anstoß an Emily ungebärdiger Haltung zu nehmen scheint, sich dann aber in sie verliebt, nur um sie dann wieder im Stich zu lassen, weil er sich vor schlechtem Leumund fürchtet. Er schickt ihr einen Brief, in dem er um Vergebung bittet, doch Branwell unterschlägt ihn, und so nimmt eine für alle Beteiligten fatal endende Liebestragödie ihren Lauf.

 

   Und die spielt sich ab vor imposanter Kulisse, prachtvoll in Szene gesetzt, sowohl optisch als auch akustisch, und auch vortrefflich gespielt von einer Handvoll Darstellern, die mir erstmal nicht so sehr bekannt waren, wenn ich von Gemma Jones und Adrian Dunbar mal absehe. Aber gerade diese „unverbrauchten“ Persönlichkeiten tun dem Film sehr gut, dessen einzige Schwäche für mein Empfinden darin besteht, dass sich gegen Ende die eine oder andere Länge einschleicht, weil Frances O’Connor Emilys Geschichte offensichtlich bis zu Ende erzählen wollte. Ich glaube, mit glatt zwei Stunden wäre man auch hingekommen, aber dieser Makel fällt wirklich nicht so arg ins Gewicht, wenn ich vorher beste Unterhaltung mit starken Bildern, starken Gesichtern und Emotionen präsentiert bekomme, und da ich nie den Eindruck hatte, O’Connor wolle hier das wahre Leben der Brontës nachstellen, konnte ich damit prima leben, denn auf ihre Weise zollt sie der Frau und ihrem Werk allergrößten Respekt, indem sie mit viel Leidenschaft eine leidenschaftliche Geschichte erzählt. ˜˜˜˜» (28.11.)