Dýrið (Lamb) von Vladimar Jóhannsson. Island/Schweden/Polen, 2021. Noomi Rapace, Hilmir Snær Guðnason, Björn Hlynur Haraldsson

   Erst denkt man: Okay, ein typisch isländischer Film, wenig Worte, viel Landschaft, spröde Menschen, wenig Action. Dann dachte ich an eine besonders bizarre Version eines Leihmutter-Dramas: Einem kinderlosen Ehepaar auf einer sehr entlegenen Farm wird von einer Schafskuh ein merkwürdiges Wesen, halb Schaf, halb Mensch geboren, und Maria und Ingvar, die ganz offensichtlich ein oder schon mehrere Kinder verloren haben, nehmen dieses Wesen in wortlosem Einvernehmen als ihren neuen Nachwuchs bei sich auf, nennen es Ada und leben eine Zeitlang glücklich zu dritt. Dann, als Ingvars struppiger Bruder Pétur sich vorübergehend bei ihnen einnistet, wird daraus ein Dreipersonen-Psycho-Stück, weil er erstens mit Ada zunächst gar nicht klarkommt und zweitens offensichtlich mal was mit Maria hatte und nun immer wieder Annäherungsversuch startet, bis sie ihn schließlich kurzerhand zum Bus fährt und verabschiedet. Und nachdem es zwischendurch immer schon mal die eine oder andere Irritation und mysteriöse Szene gegeben hatte, grätscht ganz zum Schluss auch noch ein bisschen Horror in die Szenerie, als plötzlich ein groß gewachsenes Mischwesen mit sehr grimmiger Miene auftaucht, Ingvar mit einem Gewehr totschießt, Ada mit sich nimmt, und die arme Maria somit verzweifelt und einsam zurücklässt.

   Schräger Stoff aus dem hohen Norden, das kennt man ja, das ist zumeist auch recht reizvoll, und diesmal auch. Die erwähnten geschickt eingestreuten Irritationen sorgen dafür, dass man wachsam bleibt und immer mit allem rechnet, und das genau macht den Unterschied zu einigen anderen Exemplaren dieser Gattung, die oft arg betulich vor sich hinplätschern und wenig Spannung entwickeln. Hier stellt sich zunächst ein gewisses Unbehagen ein, wenn Ada zum ersten Mal vollständig gezeigt wird, und wir diese Überraschung mit Marias und Ingvars an sich völlig unpassender Reaktion abgleichen. Ein Zwitterwesen mit Menschenkörper und Schafskopf, das den beiden innigste Elterngefühle entlockt. Und erst spät in einer kurzen Sequenz mit Maria und Ada auf einen kleinen Friedhof deutet der Film an, dass es einen oder mehrere Verluste gegeben hat und bietet eine Erklärung für das abstruse Verhalten der beiden. Das Auftauchen des Bruders bringt dann wieder einen neuen Akzent ein, aber alles sehr unaufdringlich und gut eingebettet im ruhigen Fluss der Erzählung, die von gewaltiger Landschaft eingerahmt und gewissermaßen auch kommentiert wird. Viele Worte sind in solcher Umgebung zumeist nicht nötig, auch diesmal nicht, zumal die Bilder und die exzellenten drei Darsteller auch so alles aussagen, was gesagt werden muss. Ähnlich unspektakulär wird uns dann der finale Schock untergejubelt, der zugleich die erwähnten mysteriösen Szenen zuvor erklärt, der aber zugleich so cool und selbstverständlich behandelt wird, wie alles andere zuvor auch.

 

   Schön, mal wieder was aus dem fernen Island zu Gesicht zu bekommen. Schön auch, dass die Leute dort oben ganz offensichtlich ihre Eigenheiten und Eigenwilligkeiten weiter hegen und pflegen. Diesmal ist mal wieder ein richtig guter Film dabei herausgekommen.  ˜˜˜˜(12.1.)