Licorice Pizza von Paul Thomas Anderson. USA, 2021. Alana Haim, Cooper Hoffman, Mary Elizabeth Ellis, Benny Safdie, Skyler Gisondo, Danielle Haim, Esther Haim, Milo Hershlag, John Michael Higgins, Sean Penn, Tom Waits, Bradley Cooper

Paul Thomas Anderson – das war der, der mit „Boogie nights“, „Magnolia“ und „There will be blood“ drei ebenso epische wie außergewöhnliche und vor allem vom US-Mainstream himmelweit entfernte Großwerke vorlegte, der dann jedoch mit „The Master“, „Inherent vice“ und „Der seidene Faden“ zunehmend nachließ und seine Magie zu verlieren drohte.  Und das mag vielleicht die beste Nachricht in Zusammenhang mit seinem neuen Film sein: Er hat sie wieder gefunden, seine Magie, und sie funktioniert noch genauso wie einst, und das ist umso erfreulicher, als das US-Kino wohl noch nie so arm an Magie war wie im Moment. Kreative, eigenwillige Geister wie Mr. Anderson sind also sehr dringend vonnöten. „Licorice Pizza“ ist der beste Beleg dafür…

   Kalifornien in den frühen 70ern: It never rains, in Fernost geht der Scheißkrieg weiter und weiter, Nixon hält seine hässliche Visage immer noch in die Fernsehkameras, die Outfits und Frisuren sind absolut waffenscheinpflichtig, die Musik dagegen ist einfach nur toll. Gary Valentine ist ein 15-jähriger Pickelbubi, der aber voller Ideen und Tatendrang steckt, der absolut unerschrocken zu sein scheint und ein turmhohes Ego mit sich rumträgt. Als er die smarte und ebenfalls ziemlich selbstbewusste Alana erspäht, ist er folglich felsenfest davon überzeugt, dass dies seine Zukünftige sein wird, egal ob sie ihn anfangs eher von oben herab behandelt, da sie zehn Jahre älter ist, und egal wieviel Gezicke und Gezanke es zwischen den beiden gibt. Irgendwie umgarnt er sie mit seinem Jungencharme so hartnäckig und wirkungsvoll, dass sie einfach nicht anders kann, als sich wenigstens seinen Geschäftsprojekten anzuschließen und als Managerin oder Marketingfrau zu fungieren, und im Laufe der Zeit wird dann auch mehr draus zwischen ihnen. Vieles geht schief, ihre Wege trennen sich auch immer mal wieder, sie geht fremd, er geht fremd, sie orientiert sich schließlich mehr politisch und schließt sich einem lokalen Wahlkandidaten an, während er nur Flipperautomaten verscherbeln und viel Kohle machen will und ansonsten weiterhin mit den kleinen Jungs aus der Nachbarschaft rumhängt und Blödsinn macht. Doch irgendwie durch alle Umwege und Unebenheiten verlieren sie sich nie aus den Augen und finden schließlich in einem schönen Hollywoodfinale auch wieder zusammen.

 

   Anderson hat die verschiedenen Ebenen seines üppig ausufernden (und vielleicht doch um fünf bis zehn Minuten zu langen) Films prima unter einen Hut gekriegt. Eine liebevolle und ironische Hommage an die Szene im Valley in den frühen 70ern, eine durchaus komplexe Liebesgeschichte zweier denkbar verschiedener Typen, eine Komödie voller hinreißend schräger und witziger Szenen. Ein bisschen Hollywood, oder besser Rand-Hollywood ist logischerweise auch mit im Spiel, in der Gestalt der Herren Penn und Waits, die einen sichtbar vergnügten Kurzauftritt hinlegen.  Und natürlich ist „Licorice Pizza“ total amerikanisch. Über allem hängt noch immer eine Art Pioniergeist, Gary ist eine (wenn auch zart satirische) Version des American Dream, der unermüdlich neue Projekte ausheckt und sich von keinem Rückschlag grundsätzlich beeindrucken lässt. Ein bestens vernetzter Super-Nerd, der niemals aufgibt und der vor allem sein eines großes Ziel niemals aus dem Blick verliert, und das ist natürlich Alana. Die fragt sich manchmal selbst zwischendurch, wieso sie immer mit Gary und den anderen 15jährigen Bengels rumhängt, und manchmal nervt sein pubertäres Gehabe auch gehörig, aber irgendwie finden sie immer wieder zusammen, und dann soll es wohl so sein. Hoffman und Haim sind grandios zusammen (sie hat sogar ihre ganze Familie mitgebracht, aber leider singen die Haim-Girls nicht zusammen…) und kriegen die ganze Palette ihrer Emotionen und Schwankungen perfekt auf die Reihe. Es gibt durchaus intimere, ernstere Momente hier inmitten der ganzen absurden Kabinettstücke, und nach einer umwerfenden ersten Hälfte kann Anderson den Spaßfaktor in der zweiten Stunde nicht ganz auf gleichem Level halten, aber was soll’s, der Film sprüht vor Charme und Einfallsreichtum, ich habe einhundertdreißig sehr kurzweilige Minuten genossen, und was hätte es an einem solch elend tristen Regensonntagnachmittag Angenehmeres geben können…? ˜˜˜˜» (6.2.)