Lonesome von Pál Fejös. USA, 1928. Barbara Kent, Glen Tyron
The ballad of Mary and Jim, Coney Island Babes, boy meets girl, boy loses girl, boy finds girl again. Und so weiter. Eine bezaubernde Wiederentdeckung eines Stummfilmklassikers an der Schwelle zum Tonfilm, ein betörendes Stückchen purer Kinomagie, so ungeniert poetisch und emphatisch, dass selbst solch einem wie mir das Herz aufgeht. Dazu schöne Livemusik am Klavier und um mich herum die geballte Frascati- Power, kurzum, ein Kinoabend, wie ich ihn nicht allzu oft erlebe, und es war auf jeden Fall höchste Zeit, dass ich es endlich mal zu einer dieser Vorstellungen von Kino mit Musik geschafft habe. Das sollte wirklich Teil meines jährlichen Repertoires werden…
Zunächst verbringt der Film viel Zeit damit, uns das Alltagsleben und Mary und Jim nahezubringen, zweier ganz durchschnittlicher New Yorker ohne jeglichen Glamour. Sie arbeitet bei der Telefonvermittlung, er in irgendeiner Fabrik am Band, und beide sind Single, beide spüren immer mal wieder diese Sehnsucht, diese Leere, die durch die Monotonie des täglichen Daseins unerträglich wird. Dann geschieht das Wunder, sie lernen sich auf dem Rummel kennen, genießen ein paar berauschende gemeinsame Stunden, ganz selbstvergessen und nur für sich, dann erleben beide die unfassbare Frustration der erneuten Trennung bis hin zu jenem kühnen Happy End, das selbst den abgezockten Kinogängern von heute noch ein Raunen entlockt – sie haben, ohne es zu wissen, die ganze Zeit über Wand an Wand gelebt, ohne bisher voneinander überhaupt Notiz genommen zu haben.
Ich will gar nicht so viele Worte machen – dies ist Kino zum Genießen und Mit-fühlen, zunächst mit wachem Blick für die Realitäten in den späten 20ern, um später dann ebenso souverän und selbstbewusst und auch nicht ohne Humor abzuheben in andere Sphären, wenn die beiden sich näher kommen und wir praktisch Zeugen werden wie sie sich inmitten der tobenden Menge um sie herum Stück für Stück ineinander verlieben. Die Bezeichnung „Großes Kino“ passt hier nicht, denn genau die großen Gesten fehlen hier, die pompös aufwändigen Emotionen auch, alles bleibt dezent, natürlich, es gibt nicht mal einen Kuss, nur viele Blicke und Körpersprache. Vielleicht die schönste Liebesgeschichte, die das Kino anzubieten hat, eben weil sie so einfach, so elementar ist, und es ist schon eine tolle Pointe, dass sie so früh in der Geschichte des Kinos gelungen ist und seit nunmehr fast einhundert Jahren nicht mehr übertroffen wurde. (4.11.)