Nightmare Alley von Guillermo del Toro. USA, 2021. Bradley Cooper, Cate Blanchett, Rooney Mara, Toni Collette, Richard Jenkins, David Strathairn, Willem Dafoe, Ron Perlman
Nach dem eindrucksvollen „Pan’s Labyrinth“, der für meinen Geschmack noch immer sein bester Film ist, hat Mister del Toro irgendwie das gewisse Etwas verloren. Seither hat er entweder schrill aufgepumpte Blockbuster fabriziert, oder sich an klassischen Genres des alten Hollywood versucht, sehr gekonnte Stilübungen jeweils, aber nicht mehr. Ich habe sowohl „Crimson Peak“ als auch „Shape of water“ durchaus gern gesehen, bunte, kunstvolle Nachempfindungen ohne Frage, doch gerade wenn ich sie nun mit „Nightmare Alley“ in eine Reihe stelle, fällt mir auf, was mir damals beim Gucken wohl noch nicht auffiel, nämlich, dass ihnen irgendetwas fehlt – Seele? Charakter? Schwer zu sagen, aber irgendetwas fehlt.
Bei „Nightmare Alley“ tritt dieses Defizit sehr viel deutlicher zutage, denn diesem Film fehlt zudem noch, was die beiden oben genannten durchaus besaßen, nämlich Charme. Dieses ist eine weitgehend etwas seelenlose, wenn auch erneut sehr üppig und aufwendig gestaltete Hommage an die 40er, an den Film Noir, genauer gesagt an jenen Teil des Film Noir, der sich mit dem Schicksal der dunklen Außenseiter beschäftigt, der ruhelos Umherziehenden, der Wanderer zwischen den Halbwelten. Ein solcher ist Mr. Carlisle, der seinen verhassten Vater tötet, beim Zirkus landet, dort eine neue Existenz als Hellseher aufbaut, sich schließlich zusammen mit seiner Freundin selbständig macht und sehr erfolgreich ist, bis er an die sprichwörtliche Femme Fatale gerät, die ihn in ihr Netz lockt, ihm einen lukrativen Deal anbietet, und natürlich hindert ihn seine Hybris daran, die Gefahr kommen zu sehen, und so ist der abschließende Totalabsturz unvermeidlich, und er beendet diese Geschichte als just jene Kreatur, als „Geek“, halb Mensch, halb Tier, die ihm anfangs im Zirkus begegnet war.
Wie schon erwähnt, das Outfit, die Ausstattung, die Bilder, die gesamte künstlerische Gestaltung sind makellos, doch mehr noch als bei den beiden anderen Filmen handelt es sich mehr oder weniger um eine luxuriöse Hülle ohne Inhalt. Ein Periodenstück aus der Retorte, jede einzelne Einstellung sorgsam gestaltet, teuer aufgemacht, und darum scheint es hier in erster Linie auch zu gehen. Del Toro ist ganz offensichtlich sehr daran interessiert, eine Genre-Epoche nachzustellen, doch fehlen ihm diesmal die Vision, das Personal, mir wird nicht recht klar, worum, es hier geht, was er sagen will, was ihm überhaupt daran liegt abgesehen von der Hommage. Zweieinhalb lange Stunden verbringt er damit, seine Geschichte zum Teil sehr umständlich auszubreiten, dreißig bis vierzig Minuten weniger hätten es locker auch getan – die erste Version dieser Story, ein klassischer Film Noir mit Tyrone Power von 1947, bleibt gut unter zwei Stunden. Mir leuchtet dieses durchgehend schleppende Tempo auch gar nicht ein, es entwickelt sich kein Fluss, kein Sog, und nur gelegentlich mal ein wenig Spannung, und ich habe auch nicht den Eindruck, dass die vielen langen Dialogszenen unbedingt für Tiefgang und Substanz sorgen. Das Psychogramm eines Lügners, Falschspielers, Scharlatans wird zwar recht sorgfältig aufgebaut und überzeugend bis zum bitteren Ende entwickelt, doch leidet der Film insgesamt empfindlich unter den vielen Wiederholung und einer wenig zupackenden Dramaturgie. Auch del Toros gewohnte Neigung, ein paar hässliche Blutigkeiten einzubauen, ist da nicht hilfreich, aber er liebt halt den Kontrast zwischen edel kultivierten Bildern und berstenden Knochen, auch mit Ende 50 noch der große kleine Junge, der er immer war.
Cate Blanchett ist ideal als Femme Fatale mit blutigrotem Lippenstift, Rooney Mara ebenso ideal als lautere, treue Freundin ohne Lippenstift, und es tummeln sich jede Menge hochkarätiger Charakterköpfe im Ensemble, nur die Hauptfigur, die fast ununterbrochen im Bild ist, bereit mir Kopfschmerzen, denn Bradley Cooper ist nun ganz und gar nicht mein Typ, und ich habe wenig Freude daran, ihn einhundertfünfzig Minuten lang auf der Leinwand anschauen zu müssen. Ist einfach so. Und das mit der fehlenden Chemie zieht sich durch den gesamten Kinonachmittag, wie das manchmal so geht. „Nightmare Alley“ ist mir mitsamt des Mr. Carlisle einfach nicht nahe gekommen, ich kann seine künstlerischen Qualitäten durchaus anerkennen, aber sonst hat der Film nichts bei mir ausgelöst, mich kaum einmal bewegt. Vielleicht fehlte auch ein wenig die Stimmung, weil ich ganz mutterseelenallein im großen weiten Kino hockte… » (21.1.)