Madres paralelas (Parallele Mütter) von Pedro Almodóvar. Spanien, 2021. Penélope Cruz, Milena Smit, Israel Elejalde, Aitana Sánchez-Gijón, Rossy de Palma, Julieta Serrano

   Auf den Señor Pedro ist noch immer Verlass: Er macht seit Jahr und Tag zwei, drei wunderbare Filme, dann zwischendurch mal einen, mit dem ich nicht so recht warm werde, doch danach geht’s wieder weiter, und so isses auch diesmal. Das etwas müde Alterswerk „Leid und Herrlichkeit“ vor drei Jahren hat mich nicht gerade vom Stuhl gehauen, doch mit den parallelen Müttern ist alles wieder im Lot, ist alles wieder da, wo es hingehört. Die große Liebe, das große Leiden, die großen Gefühle, die große Hommage an die Frauen und ihre Kraft, die große Hommage an das Leben an sich und die vielen wundersamen Wege und Umwege, die es häufig nimmt.

   Der eine Teil ist Melodrama und Kolportage comme il faut, und in den Händen eines weniger versierten Erzählers wäre dies unter Garantie zum Fiasko geworden. Vertauschte Babies, egozentrische Mütter, starke Frauen, die ihren Weg gehen – all das erinnert an TV-Seifenopern im Dutzend billiger, doch wenn Almodóvar das inszeniert, ist es irgendwie dennoch toll, weil er wie kaum ein anderer sich so nah ran traut an die Menschen, vor allem ihre Gesichter und weil er das Abwegige, Abseitige so selbstverständlich erzählt, als sei es das normalste auf der Welt, und wenn man erstmal ein paar Filme von ihm gesehen hat, passiert genau das, man hält es für normal. Ein Filmemacher, der seinen ganz eigenen Kosmos erschafft, ist immer etwas Besonderes, und Almodóvar gehört natürlich absolut in diese kostbare Kategorie. Um nochmal auf das Melodrama zurückzukommen – alles okay damit, vielleicht habe ich das schon mal besser bei ihm gesehen, aber das will nicht viel besagen, ich war wie immer gerührt von den tollen Schauspielern und der offensichtlichen Liebe des Regisseurs zu seinen Figuren, ihren Kämpfen und Krisen.

   Der zwei Teil ist mal was anderes, Geschichte und Politik, wenn man so will. Janis lernt Arturo kennen, der ist Anthropologe, Spezialist unter anderem für Ausgrabungen, und damit kommt er ihr grade recht, denn sie will endlich das Grab ihres Urgroßvaters finden, der einst im Bürgerkrieg von Falangisten erschossen und gemeinsam mit anderen Opfern in einem Massengrab außerhalb es Dorfe verscharrt wurde, so wie es geschah häufig in diesen grausamen Jahren geschah. Arturo bereitet Janis auf eine lange Wartezeit vor, denn auch nach fünfundachtzig Jahren ist die Aufarbeitung dieses Teils der Vergangenheit in Spanien nicht gerade populär, und so hat die aktuelle konservative Regierung jegliche Finanzierung für die Grabungsarbeiten unterbunden. Es dauert tatsächlich Jahre, bis sich endlich etwas rührt, doch dann legen Arturo und sein Team ein Feld mit über zehn Leichen frei, und die Nachgeborenen können ihre Vorfahren endlich in Würde bestatten. Im Nachspann formuliert der Film sein Anliegen dann ganz deutlich: Menschliche Geschichte wird niemals schwiegen und kann deswegen auf Dauer auch nicht zum Schweigen gebracht werden. Gerade in diesem unserem Lande weiß man, wovon hier die Rede ist…

   So explizit politisch habe ich einen Almodóvar-Film selten erlebt (auf andere Weise ist natürlich fast jeder seiner Filme ein politisches Statement, keine Frage), und ich hätte gern noch etwas mehr über die Bemühungen vieler Spanier erfahren, die Schicksale ihrer Vorväter im Bürgerkrieg endlich ans Licht zu bringen. Eine spannende Geschichte auf jeden Fall, über die ich noch nicht sehr viel wusste, und die in diesem Film für meinen Geschmack nicht immer hundertprozentig überzeugend mit dem melodramatischen Teil verknüpft wird. Die beiden Themenstränge scheinen ein wenig nebeneinander herzulaufen, das heißt, wenn der eine gerade mal wieder dran ist, gerät der andere automatisch in den Hintergrund und umgekehrt. Der finale Aufruf gegen das Schweigen ist trotzdem sehr wichtig und richtig, und man kann nur wünschen, dass er endlich auch mal gehört wird, und zwar nicht nur in Spanien, wo man sich mit Francos Erbe offensichtlich auch sehr schwer tut.

 

   Abgesehen davon: Herrlich bunte Bilder, wie sie nur der Pedro fabriziert, tolle Gesichter, wie nur er sie in Szene setzt, und über allem dieses Gefühl, zärtlich, kämpferisch, das noch immer da ist, auch wenn der Mann auf die Mitte der Siebziger zusteuert. Möge er noch lange unterwegs sein in seinem Universum… ˜˜˜˜ (28.3.)