Rheingold von Fatih Akin. BRD/Niederlande, 2022. Emilio Sakraya, Mona Pirzad, Ilyes Raoul, Sogol Faghani, Ensa Albayrak, Kardo Razzazi, Denis Moschitto, Ugur Yücel, Hüseyin Top
Ein üppig wildes zweieinhalbstündiges Gangsta-Garn hat der gute Mister Akin diesmal zusammengesponnen, und ich muss sagen, dass ich mich, obwohl mir hier eine völlig fremde Welt begegnet ist, ziemlich gut unterhalten habe. Er kann es eben noch, und nachdem ich mit seinen letzten Filmen insgesamt nie so richtig glücklich geworden bin, hat er diesmal wieder ein richtig pralles Stückchen Kino abgeliefert. Über historische Korrektheit oder so kann ich wie gesagt nicht urteilen, denn ich hatte weder von dem Mann jemals gehört, noch ist mir die Deutschrap-Szene in irgendeiner Form vertraut, aber das hat mich gar nicht gestört, denn es ist dennoch einiges rübergekommen dabei.
Die Biographie von Giwar Hajabi (später dann „Xatar“) ist in der Tat filmreif: Als Sohn kurdischer Eltern aus dem Iran erlebt er Verfolgung, Flucht, Gefängnis, Folter schon als kleiner Junge. Dann die geglückte Ausreise in die BRD, nach Bonn, das Leben im Ausländerghetto, die ersten Kontakte, die ersten kleinen Geschäfte, die erste Prügelei, und so weiter, eine echte Gangstergeschichte bis nach Amsterdam und schließlich zum großen Coup bei Stuttgart, dem Goldraub, für den er dann verknackt wird und der offenbar das Ende seiner kriminellen Laufbahn bedeutete. Und zugleich den Anfang dessen, was danach kommen sollte.
Fatih Akin hat dabei längst nicht alles richtig gemacht. Er jongliert mit etlichen Motiven, Themen und Geschichten und bringt am Ende nicht alle Fäden zusammen, einige verliert er zwischendurch auch mal aus den Augen, und das hat mir manchmal leidgetan, vor allem wenn es um Giwars Familie geht, genauer gesagt um seine Mutter, die hier als eine überaus bemerkenswerte und starke Frau gezeigt, dann aber zwischenzeitlich völlig aus dem Blick verschwindet. Dann nämlich, wenn mit Akin die Faszination für den Gangsta durchgeht, und folglich muss er den schrägen Goldraub unbedingt in aller Ausführlichkeit schildern, wo es doch vielleicht andere Dinge gegeben hätte, die erzählenswerter gewesen wären, zumal nach einem Auftakt, der uns auf eine ganz andere Spur bringt und der sicherlich einen anderen, vielleicht auch einen besseren Film ermöglicht hätte. Oder jedenfalls einen, der ich noch mehr interessiert hätte, denn dieser ganze Gangsta-Kram, wie schon gesagt, ist mir insgesamt ziemlich fern.
Trotzdem habe ich gern zugesehen, weil Akin das Tempo hoch hält, weil er immer noch einen ganz speziellen Touch beweist, wenn es ums Menschliche geht, weil er wieder mal ein gutes Timing für Humor beweist und weil er seine Liebe zu den Figuren auf seine ganz spezielle, unnachahmliche Weise zum Ausdruck bringt, und das hat für mich einfach etwas Entwaffnendes, auch wenn mich das eigentliche Thema gar nicht mal so sehr interessiert. Diese Dynamik fehlte seinen letzten zwei, drei Filmen, hier ist sie wieder in voller Pracht präsent, und das hat mir schon gefallen. Natürlich scheint er der speziellen Macho-Attitüde des Rappers Xatar recht unkritisch zu begegnen, aber es war wohl auch nicht seine Absicht, die Kunst dieses Mannes einer differenzierten Untersuchung zu unterziehen. Er hat einfach eine ziemlich faszinierende Lebensgeschichte in ebenso prägnanten, knackigen Szenen nacherzählen wollen, und ich finde, das hat er ziemlich gut hingekriegt. Ich bin jedenfalls gespannt auf das, was als nächstes von ihm kommen wird… (9.11.)