She said von Maria Schrader. USA, 2022. Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson, Jennifer Ehle, Samantha Morton, Andre Braugher, Angela Yeoh, Lola Petticrew, Ashley Judd

   Der Beginn der #MeToo-Bewegung, könnte man sagen:  Zwei Journalistinnen der New York Times, Jodi Kantor und Megan Twohey, steigen von verschiedenen Seiten in die Story ein, tun sich dann aber zusammen. Es geht um Harvey Weinstein und die sich häufenden Aussagen einzelner Frauen, sie seien von ihm massiv sexuell missbraucht worden. Das Problem: Weinstein ist sehr mächtig, hat sehr mächtige Leute vor und um und hinter sich, und die Frauen wollen zunächst nicht namentlich aussagen, wollen nicht an die Öffentlichkeit, oder können dies auch gar nicht, weil sie einst Schweigegeld angenommen und eine Vereinbarung unterzeichnet haben, in der sie sich zur Verschwiegenheit verpflichten. Kantor und Twohey graben und forschen über Monate und so lange, bis sie ein paar Frauen finden, die nicht an eine solche Vereinbarung gebunden oder ansonsten mutig genug sind, endlich auszusagen. Als die Story dann publiziert wird, tritt sie bekannterweise eine Lawine los, die noch immer weiterrollt…

   Gar keine Frage, dies ist ein Hollywoodfilm, aber zum Glück ist Hollywood nicht immer gleich Hollywood. Es gibt diese klitzekleine Nische, in der noch immer abseits des grauenvollen Mainstreams wirklich feine und engagierte Filme entstehen, die ihre Herkunft zwar nicht verleugnen können (und dies auch gar nicht wollen), und ich mag besonders die Filme, die sich mit investigativem Journalismus beschäftigen, wie zum Beispiel „Spotlight“, „State of play“ oder meinetwegen auch „The Post“, vom ewigen Klassiker „Die Unbestechlichen“ ganz zu schweigen. Oft beginnt es mit einer eher unspektakulären Story, die sich im Laufe der Zeit immer komplexer und gewaltiger entwickelt, auch ganz gegen alle Erwartungen der beteiligten Journalisten, und letztlich geht es zumeist um das Ringen gegen eine institutionelle Macht oder zumindest äußerst mächtige Persönlichkeiten, was dann letztlich fast einer Institution gleichkommt. So auch in diesem Fall: Weinstein hat einen hervorragenden Ruf, hat zusammen mit seinem Bruder Bob die Miramax Company aufgezogen und steht für niveauvolles US-Kino. Ein gewichtiger Mann mit Einfluss und jemand, der diesen Einfluss jederzeit zu nutzen vermag. Er begegnet uns hier eher in Form von Anwälten und anderen Vertretern, die versuchen, die Veröffentlichung der Story zu verhindern oder irgendwie zu lenken. Ihnen gegenüber eine wachsende Zahl von Opfern, einige sehr prominent, die zumeist als jüngere Frauen Weinsteins Übergriffen ausgesetzt waren und nun nach vielen Jahren wieder damit konfrontiert werden, und wie beide Journalistinnen deutlich spüren, eigentlich auch endlich reden wollen, aber Angst haben, damit allein zu bleiben. In sehr vielen sehr eindringlichen Gesprächen wird langsam das ganze Ausmaß des Missbrauchs deutlich, werden auch die Folgen für die Betroffenen deutlich, die Scham, die Demütigung, die Angst. Erschütternde Zeugnisse männlicher Gewalt gegen Frauen und wie es leider immer wieder und immer noch gelingt, die Frauen dazu zu bringen, nicht zu sprechen, nicht auszusagen, nicht anzuklagen.

   Maria Schrader hat daraus ein trotz seiner über zwei Stunden Länge hochspannendes, faszinierendes und extrem beeindruckendes Drama gemacht, das nachdrücklich demonstriert, wie man eine rein faktenbasierte Story so aufbereiten kann, das sie trotzdem mitreißendes Kino bietet. Drehbuch und Regie arbeiten fabelhaft zusammen, die Dialogszenen sind so grandios gestaltet, dass ich mich zum Ende einer Szene jedes Mal schon auf die nächste gefreut habe. Auch für ein bisschen privaten Hintergrund der beiden Hauptakteurinnen nimmt man sich Zeit, und diese zusätzliche Viertelstunde ist gut investiert, denn hier sind Menschen am Werk und keine bloßen Funktionsträger. Schrader hat in ihren vorherigen Filmen schon gezeigt, dass sie ein besonderes Händchen für Schauspieler hat, und in „She said“ kommt diese Stärke so gut zur Geltung, wie nie zuvor in einem ihrer Filme (finde ich zumindest). Wie sie Blicke, Gesten, Gruppen- oder Zweierkonstellationen inszeniert, das ist einfach große Klasse und hat mir zumindest sehr viel Spaß gemacht. Ein Film, der sehr klar für etwas einsteht, der eine Sache vertritt und der eine Form findet, die dieser Sache jederzeit Respekt erweist und ihr gerecht wird. Großes Kino und wahrscheinlich der beste US-Film in diesem Jahr. ˜˜˜˜˜ (12.12.)