Tove von Zaida Bergroth. Finnland/Schweden, 2020. Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney, Joanna Haartti, Kajsa Ernst, Robert Enckell, Eeva Putro, Jakob Öhrman
Tove Jansson und ihre Mumins waren mir bis dato unbekannt, vielleicht bis auf ein paar vage Erinnerungen an einschlägige japanische Trickfilme. Hier kann man also mehr über sie erfahren, genauer gesagt über ihre Jahre nach dem Krieg bis hinein in die 50er, dahin also, wo sie sich als Künstlerin etabliert haben wird, wenn auch nicht in dem Bereich, den sie sich ursprünglich mal vorgestellt hatte. Wir lernen eine unkonventionelle junge Frau kennen, impulsiv, fast spielerisch kreativ, die ein paar Themen mit sich herumschleppen wird: Die schwierige Beziehung zu ihrem Vater, einem renommierten Bildhauer, der sie ständig antreibt, selten jedoch im positiven Sinne, sondern immer eher geringschätzig, sodass die Angst, nicht gut genug zu sein, ihr ständig in den Kleidern hängt. Dann gibt‘s noch die Frage nach der sexuellen Orientierung – sie hat ein Verhältnis mit einem Lokalpolitiker, doch als sie die mondäne Vivica kennlernt, verliebt sie sich alsbald in sie und bekommt als Zugabe auch noch Zugang zu den exklusiven Künstlerkreisen des Landes. Und schließlich ist da die Kunst – Tove will unbedingt als „klassische“ Malerin reüssieren, doch läuft sie vergeblich einem Stipendium nach, und kann auch auf Ausstellungen kein Aufsehen erzeugen, und als Vivica ihr eines Tages vorschlägt, doch ihre putzigen Mumins-Zeichnungen auszubauen, ist sie alles andere als begeistert, weil sie gern für eine „ernsthafte“ Künstlerin gehalten werden möchte. Dass ihr dann ausgerechnet die Mumins den großen Erfolg bringen, nimmt sie anfangs fast widerwillig hin, stellt dann aber immerhin mit Vivica eine tolle Theateraufführung auf die Beine und zieht einen sehr lukrativen ersten deal mit einer großen Zeitung an Land.
Das spannendste an dieser Biographie ist die ständige Diskrepanz zwischen dem Drang nach Freiheit, der freien Gefühls- und Persönlichkeitsäußerung einerseits und all den Sorgen, Befürchtungen und emotionalen Beklemmungen, mit denen Tova sich herumzuschlagen hat, andererseits. Bei Vivica hört ihr Freiheitsdrang nämlich auf, sie möchte sich binden, möchte auch Vivica an sich binden, doch die ist ein noch viel entschlossenerer Freigeist als sie und schläft sich fröhlich durch die Betten zwischen Helsinki und Paris, bis Tova schließlich die Notbremse zieht und sich einer anderen Frau zuwendet. Auch in Sachen Kunst ist sie ständig hin- und hergerissen zwischen ihrer spontanen schöpferischen Gabe und ihrem verbissenen Kampf um Anerkennung, wobei natürlich in erster Linie ihr ewig griesgrämiger Vater gemeint ist. Erst nach seinem Tod kommt sie mit ihm ins Reine, als sie nämlich erfährt, dass er sehr wohl jeden Schritt ihrer Entwicklung genau verfolgt und sogar in einem dicken Buch gesammelt hat.
Wo soviel von Freiheit und ungebändigter Kreativität die Rede ist, hätte ich natürlich auch gern mal eine angemessen unkonventionellere Künstlerbiographie auf der Leinwand gesehen. Leider kann dieser Film nicht damit dienen – er ist natürlich schön fotografiert und vor allem in der Titelrolle herausragend gut gespielt, doch alles in allem viel zu gediegen und brav in Szene gesetzt. Eigentlich nur in den immer wieder eingestreuten wilden Tanzszenen kommt ein wenig von dem zum Vorschein, was diese Tova möglicherweise auszeichnete. Auch hätte ich gern ein wenig mehr Einblick in die Welt der Mumins bekommen, denn die ist angeblich bei weitem nicht so simpel und kindlich, wie oben erwähnte Zeichentrickserien dies nahelegen. Auch las ich, dass sie in frühen Jahren als politische Karikaturistin durchaus aneckte, was in Finnland während des Krieges zwischen den beiden großen finsteren Mächten ziemlich gefährlich werden konnte. Also wäre noch eine Menge mehr drin gewesen, aber Drehbuch und Regie haben sich für eine eher herkömmliche Gangart entschieden, und so ist einer von vielen Künstlerfilmen aus den letzten Jahren entstanden – schön anzuschauen und im Kern auch interessant, aber irgendwie immer ein wenig hinter Möglichkeiten zurückbleibend. (31.3.)