Les Olympiades (Wo in Paris die Sonne aufgeht) von Jacques Audiard. Frankreich, 2021. Lucie Zhang, Makita Samba, Noémie Merlant, Jehnny Beth

   Mit fast 70 macht M. Audiard also plötzlich auf Nouvelle Vague: Ein Liebesreigen in Paris, schwarz-weiß, stylish, sexy, poetisch, selbstbewusst. Aber eben ein Film der Nouvelle Vague ganz ins Hier und jetzt transportiert: Multikulturell statt nur weiß, Techno statt Quetschkommode und vor allem kein einziger Blick auf den Eiffelturm, der uns ja sonst immer vergewissern soll, dass wir uns auch diesmal in der Stadt der Liebe befinden. Stattdessen sehen wir Wohnblockwüsten in einem offensichtlich östlich gelegenen Arrondissement (damit der deutsche Titel überhaupt irgendeinen Sinn ergibt) und nur eins, zwei Mal ergattern wir einen fernen, flüchtigen Blick auf den Hügel von Montmartre, doch das klassische Paris bleibt konsequent draußen vor der Tür, und so hat Audiard einen leichten, attraktiven und sehr reizvollen Zwitter zwischen Klassik und Moderne geschaffen, einfach eine Liebesgeschichte mit dreieinhalb Protagonisten, die am Ende auch noch gut ausgeht. Soviel Romantik muss sein.

   Die asiatische Community ist mit vertreten, die afrikanische und auch die europäische. Man wechselt locker die Sprachen, bewegt sich zum Teil in multinationalen Familienkontexten, wechselt ebenso locker die Jobs und die Beziehungen, geht feiern, hat Sex, aber manchmal funkt es eben und es geht um mehr als nur einen weiteren unverbindlichen One-Night-Stand. Eine neue Beziehung entsteht und geht wieder verloren, eine weitere Beziehung ergibt sich und auch sie wird nicht halten, und am Ende findet Paar Nummer eins wieder zusammen und der übrig gebliebene Teil aus Paar Nummer zwei findet vielleicht auch sein Glück. Das ist kein großes tränenreiches Melodrama, das ist ein irgendwie ganz cooler und entspannt wirkender erotischer Reigen mit humorvollen Untertönen, eine einfache, kleine Geschichte aus der großen Stadt, deren Vororte zwar auch diesmal nicht sonderlich anziehend oder lebensbejahend rüberkommen, in denen aber dennoch gelebt, geliebt, gefeiert wird. Der Betonmoloch bietet dieses Mal keinen Hintergrund für ein düsteres Milieudrama, er ist einfach da, wird in keiner Weise beschönigt, aber eben auch nicht dramatisiert.

 

   Und so ist dies ein durch und durch schöner, angenehmer und sehr sympathischer Film, und das meine ich nicht abwertend. Attribute wie diese lassen sich normalerweise nicht gerade mit Audiards filmischem Werk verknüpfen, umso erstaunlicher und erfreulicher finde ich es, dass er seine sonst eher dunkle und auch gewaltsame Welt für dieses Mal hinterwegs gelassen und eine liebevolle Hommage an eine Stadt und eine Zeit gemacht hat, die zwar einerseits schon lange hinter uns liegen mag, deren Spuren aber, wie man hier sieht, noch immer präsent sind – man muss ihnen halt nur nachspüren. ˜˜˜˜ (19.4.)