Die Geschichte einer Familie von Karsten Dahlem. BRD, 2023. Anna Maria Mühe, Michael Wittenborn, Therese Hämer, Casper von Bülow, Anton Spieker, Walid Al-Atiyat
Ein fataler Autounfall sprengt die Familie buchstäblich in ihre Einzelteile – Papa bleibt vor Ort, verliert seinen Job und gibt sich dem Suff hin, Mama zieht es zwecks Selbstfindung nach Afrika, und Tochter Chrissi wird eine Stuntfahrerin mit Hang zu vorsätzlich halsbrecherischen Aktionen. Eine davon fesselt sie schließlich an den Rollstuhl, treibt sie zurück nach Hause zu Papa, und dort geht die zersplitterte Restfamilie nun daran, das Trauma der Vergangenheit irgendwie aufzuarbeiten.
Das fängt auch ganz vielversprechend an, etwas rau irgendwie und mit immer neuen überraschenden Flashbacks durchsetzt, und so gesehen würde ich den Film auch nicht so einfach in die Reihe durchschnittlicher und x-fach gesehener TV-Produktionen einreihen wollen. Das soll aber nicht heißen, dass er sehr viel besser ist als die, denn so ganz ist es dem Regisseur nicht gelungen, das Potential dieser komplizierten und düster emotionalen Familienaufstellung umzusetzen. Das liegt nach meinem Empfinden vorwiegend am Drehbuch, denn alles andere funktioniert eigentlich ziemlich gut. Aber die oben schon erwähnten Rückblenden neigen dazu, nach hinten loszugehen, wenn man zu schnell sein Pulver verschießt, und genau das ist hier passiert. Einige entscheidend wichtige Geheimnisse werden so früh gelüftet, dass irgendwann die Spannung raus ist, und dazu passt dann leider auch, dass sich all die schmerzhaften und tiefgehenden Konflikte am Ende ganz unverhofft aufzulösen scheinen, weil Chrissi ganz gegen ihren sonstigen Charakter in einer insgesamt eigenartig schwach getimten und geschriebenen Szene plötzlich auf ihre alten Freunde und auch ihren Vater zugeht und sie um Verzeihung bittet, nachdem sie sich zuvor konsequent sperrig und unzugänglich in ihrem Zorn und ihrer Scham gegeben hatte. Was genau diesen totalen Sinneswandel hervorgerufen hat, erschließt sich mir nicht recht, ich hatte fast den Eindruck, als habe der Regisseur gegen Ende die 90-Minuten-Grenze unbedingt einhalten wollen bzw. müssen, und so gönnt er Vater und Tochter nach all den Dramen ein paar unbeschwerte Momente mit Rollstuhl, die wir den beiden auch gerne wünschen möchten, doch so ganz rund und überzeugend ist das für mich nicht. Wenigstens im Kino dürfen solche Geschichten doch auch mal anders ausgehen…
Anna Maria Mühe und Michael Wittenborn sind immerhin erfahrene Spezialisten für spröde, launische Charaktere, und sie werfen ihre Expertise sehr zum Gewinn des Films in die Waagschale und können damit die eine oder andere Drehbuch-Untiefe auch ausgleichen (der bräsige Filmtitel ist auch so eine Untiefe…), aber natürlich nicht alle, und so blieb mir beim Herausgehen in den stürzenden Sommerregen das Gefühl, dass es gereicht hätte, diesen Film im TV zu sehen, und das sagt auch schon alles. (22.6.)