Killers of the Flower Moon von Martin Scorsese. USA, 2023. Leonardo DiCaprio, Robert de Niro, Lily Gladstone, Jesse Plemons, Tantoo Cardinal, Cara Jade Myers, JaNae Collins, Scott Shepherd, William Belleau, Louis Cancelmi, John Lithgow, Brendan Fraser

   Die spektakulärsten Geschichten schreibt wie immer was wahre Leben. Die hier geht so: Wie wahrscheinlich die meisten anderen Indianerstämme wurden auch die Osage von ihren weißen Eroberern hin- und hergesiedelt mit dem Ziel, ein möglichst unattraktives Reservat zu finden und die Ureinwohner dort zu parken. Im Falle der Osage allerdings geht die Sache gründlich schief: Aus dem scheinbar unfruchtbaren Boden in Oklahoma sprudelt unversehens Öl, und plötzlich sind die Osage die reichsten Menschen in den Staaten, was natürlich augenblicklich den gierigen weißen Mann auf den Plan ruft. Mithilfe ausgeklügelter juristischer Klimmzüge werden viele Osage entmündigt und wieder in Abhängigkeit von den Weißen versetzt. Viele andere werden ganz einfach ermordet, und darum soll es in diesem Film gehen. William Hale, der selbsternannte King of Osage County, beauftragt die Ermordung mehrerer Dutzend Menschen, um auf diese Weise an das begehrte Land zu kommen. Als sein Neffe Ernest aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrt, wird dieser flugs darauf angesetzt, in eine große, wohlhabende Osagefamilie einzuheiraten. Der reichlich schlichte Ernest ehelicht die smarte Mollie und wird fortan zum willfährigen Handlanger seines Onkels, der Mollies Schwestern töten lässt, den natürlichen Tod der Mutter abwartet und Ernest dann anstiftet, seine an Diabetes erkrankte Mollie langsam zu vergiften, um so endgültig in den Besitz des Familienlandes zu gelangen. Der Plan geht fast auf, doch dann wird das von Mr. Hoover frisch installierte FBI eingeschaltet, und Hales mörderische Verbrechen fliegen langsam aber sicher auf – was jedoch noch lange nicht heißt, dass sie auch angemessen gesühnt werden. Ein Stück brechtsches Theater am Schluss informiert uns über den juristischen Fortgang der Dinge, der genauso empörend und himmelschreiend ungerecht ist wie all das, was den Osage zuvor angetan worden war, und der Herr Spielleiter gönnt sich auch noch einen kleinen Auftritt.

   Martin Scorsese hat daraus einen sehr langen, wie ich finde deutlich überlangen Film gemacht, der in einigen Szenen durchaus als wuchtige Anklage wider die typisch amerikanische Mischung aus Rassismus, Gewalt, Bigotterie und Gier durchgeht, der sich aber in vielen anderen Momenten verliert in langatmigen, repetitiven Szenen, die sehr bald ihre Dynamik einbüßen, bis endlich das FBI die Bühne betritt und der Story wieder ein bisschen mehr Schwung verleiht. Wer sich nicht vorher ein wenig belesen hat zu den Hintergründen dieser Tragödie, wird vielleicht niemals den ganzen Überblick bekommen, denn Scorsese siedelt die Story sehr privat als Ehe- und Familiendrama an, fokussiert auf die Perspektive der Täter und verliert so die Opfer mehr und mehr aus den Augen, was ich einerseits ein wenig verlogen fand, was andererseits leider total logisch ist, wenn man solch einen Film mit Leuten wie DiCaprio und de Niro besetzt. Und bei aller Wertschätzung für diese beiden großem Schauspieler ist diese Besetzung natürlich ein Problem, denn de Niro zieht seine typische de-Niro-Masche durch und DiCaprio tut dasselbe, und beide tun das sehr gekonnt und gut, nur sollte es hier um ganz andere Dinge gehen. Scorsese liebt aber diese beiden Kollegen über alle Maßen, und somit stehen sie völlig im Mittelpunkt, und eine so faszinierende Person wie die Mollie wird mehr und mehr an den Rande gedrückt, von anderen Osage ganz zu schweigen. Natürlich ist de Niro als intriganter, rücksichtsloser, monströser Widerling genauso effektvoll wie DiCaprio als schizophrener Psychopat, doch empfand ich Scorseses Perspektive auf Dauer als zu ermüdend und einseitig, vor allem nach hinten raus mit den langen Prozessszenen, wenn der Film so gar nicht enden will. Ich habe mich zwischendurch (denn dazu hat man wahrlich Zeit bei mehr als drei Stunden Laufzeit…) immer mal befragt, ob ich jetzt bewegt oder gerührt oder zornig bin, stellte aber fest, dass all diese Emotionen nur ziemlich moderat ausgelöst wurden, und das heißt, dass angesichts dieser irrsinnigen Geschichte, die sich kein Hollywoodautor auszudenken getraut hätte, irgendetwas fehlt.

 

   Immerhin ist es sicherlich ein Verdienst, diese grausame und schmutzige Episode der glorreichen Historie von God’s Own Country einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben, und dankbar war ich auch für Scorseses überraschenden Verzicht auf allzu ausschweifende Gewaltdarstellungen, im Ganzen aber ist dieses Werk einfach zu zäh und vielfach zu kraftlos, um die erhoffte Wirkung zu erzielen, jedenfalls was mich angeht. Potentiell hätte dies einer der bedeutendsten US-Filme der letzten Jahre werden können, in der Umsetzung aber bleibt er meiner Meinung nach hinter diesem Anspruch ein gutes Stück zurück. ˜˜˜ (31.10.)