Novembre (November) von Cédric Jimenez. Frankreich, 2022. Jean Dujardin, Anaïs Demoustier, Sandrine Kiberlain, Jérémie Renier, Lyna Khoudri, Stéphane Bak, Cédric Kahn
Ein weiterer Film über die Anschläge islamistischer Terroristen in Paris im November 2015 – 130 Tote, eine ganze Stadt in Schockstarre, nur die ermittelnden Behörden nicht, denn die müssen unter Hochdruck versuchen, weitere Massaker zu verhindern und müssen ebenfalls versuchen, diverse Ermittlungspannen in der Vergangenheit irgendwie glattzubügeln, abgesehen von dem üblichen und unvermeidlichen Zuständigkeitshickhack, das sich unweigerlich ergibt, sobald mehrere Behörden zusammen arbeiten müssen. Der Fokus liegt ganz auf der Anti-Terror-Einheit und ihren fieberhaften Versuchen, in so kurzer Zeit wie irgend möglich der Täter und ihrer Hintermänner habhaft zu werden. Alle gehen bis an ihre Grenzen, schlafen tagelang nicht, riskieren Alleingänge, zapfen jede erdenkliche Quelle an - und am Schluss finden sie einige der maßgeblichen Attentäter tatsächlich, wohl wissend, dass der Kampf gegen den Islamismus weitergehen wird.
Ohne störenden privaten Firlefanz wird die Arbeit der Anti-Terror-Einheit über einige Tage Mitte November verfolgt, das Drehbuch ist äußerst fokussiert und ökonomisch, die Darsteller sind einerseits extrem präsent, drängen sich aber niemals in den Vordergrund, sondern tragen das Konzept voll mit, und Regisseur Jimenez ist es auch diesmal gelungen, einen buchstäblich elektrisierenden Film auf höchstem Energielevel zu fabrizieren, und dieses Level vor allem über einhundert eindrucksvolle Minuten gleichbleibend hochzuhalten. Das kann nicht jeder. Wir werden hineingezogen in einen fiebrigen Malstrom, erleben erste Reaktionen zwischen Ohnmacht, Fassungslosigkeit, Wut und Entschlossenheit, erleben auch, wie die Ermittler alles versuchen müssen, um diese Emotionen zu unterdrücken und einfach nur zu funktionieren, und wie ihnen das eben doch nicht immer gelingt, weil auch sie nur Menschen sind. Da rutscht schon mal die Hand aus ins Gesicht eines feist grinsenden Islamisten, da werden einer Zeugin schon mal Versprechen gemacht, die unmöglich eingehalten werden können. Jimenez registriert dies, zeigt es, bleibt im Detail sehr aufmerksam, ohne zu werten oder zu polemisieren. Die finale Ausschaltung einiger Täter ist genau genommen alles andere als ein glorreicher Sieg, sondern vielmehr ein blutiges Fiasko, ein total aus dem Ruder gelaufener Großeinsatz, das wissen alle nur zu gut, und dennoch hat niemand von ihnen Zeit, dies zu reflektieren oder zu verarbeiten, denn noch immer besteht die Androhung weiterer Anschläge. Die Erzählung wird unermüdlich vorangetrieben, der Film ist atemlos und hochgradig intensiv und er vermittelt glaube ich ein sehr authentisches Gefühl von der Atmosphäre, die in jenen Tagen und Wochen in Paris geherrscht haben muss. Wir sehen hier keine Helden in gerechter Mission, wie sie uns die Amis so oft und gern präsentieren, wir sehen sehr viele Leute in einem verzweifelten und oft genug verlorenen Wettlauf mit der Zeit und einem Gegner, der nicht mit gewöhnlichen menschlichen Maßstäben zu betrachten ist. Dass religiöser Fundamentalismus und der daraus resultierende Terrorismus eine der großen Geißeln unserer heutigen Zeit sind, muss nicht mehr explizit gesagt werden – die schrecklichen Folgen dieses Wahnsinns erleben wir seit vielen Jahren immer wieder, sie spiegeln sich hier wie auch in dem anderen Bataclan-Film vom letzten Jahr (der mich persönlich vielleicht noch ein wenig mehr bewegt hat) auf sehr eindringliche Weise. » (27.2.)