Rose (Rose – eine unvergessliche Reise nach Paris) von Niels Arden Oplev. Dänemark, 2022. Sofie Gråbøl, Lene Marisa Christensen, Anders W. Berthelsen, Luca Reichardt Ben Coker, Søren Malling, Christiane Gjellerup Koch, Karen-Lise Mynster, Peter Gantzler, Illyès Salah, Jean-Pierre Lorit

  Inger unternimmt zusammen mit ihrer Schwester Ellen und ihrem Schwager Vagn eine Busreise nach Paris. Sie möchte unbedingt die Stadt wiedersehen, in der sie als junges Mädchen bereits eine große Liebe erlebt hat. Natürlich liegen die Dinge nicht so einfach, denn das hätte wahrlich keinen Film ergeben: Die besagt große Liebe ist damals für Inger schlimm verlaufen, der Mann hatte Frau und Familie und hat sie sitzen lassen und sie damit in eine wie es scheint lebenslange tiefe psychische Krise gestürzt. Nun ist Inger schizophren, setzt sich ständig mit einer fiesen inneren Stimme auseinander, schwankt zwischen suizidalen Anwandlungen und verbalen Ausfällen, und man kann sich leicht vorstellen, dass auf diese Weise eine eigentlich ganz harmlose Reise für alle Beteiligten nicht im gewohnten Rahmen abläuft.

   Normalerweise ist dies einer jener Filme, um die ich einen großen Bogen mache, aber natürlich haben mich die Dänen im Allgemeinen und die Freude auf ein Wiedersehen mit Kommissarin Lund im Besonderen ins Kino gelockt, und das habe ich wahrlich nicht bereut. Solche Stories leben von der Balance, und in mehr als neunzig Prozent aller Fälle geht das schief, und ganz selten nur gelingt es, die Waage zwischen Komik und Ernst so zu halten, dass beide Seiten zur Geltung kommen und dass auf billige Effekte verzichtet werden kann. Das ist hier zum größten Teil sehr gut gelungen, skurrile Momente und handfester Humor kommen durchaus vor, doch letztlich überwiegt das Zwischenmenschliche, das tägliche Kampf der Familie um ein kleines bisschen Harmonie und Frieden und inneres Gleichgewicht, wohl wissend, dass die glücklichen, stillen, friedlichen Momente immer nur von kurzer Wirkdauer sein werden. Nicht nur Ellen oder die ewig (über)besorgte Mama sind erschöpft und leben stets am Rande der Belastbarkeit, auch Inger selbst ringt mit ihren Dämonen mit aller Kraft. Manchmal gelingt es, sie im Schach zu halten, und manchmal eben nicht. Dann sagt sie schlimme Wörter oder wirft sich vor ein Auto oder besteht darauf, nachts auf einem deutschen Rastplatz einen Igel zu bestatten. Andererseits rettet sie die Gruppe mehrmals durch ihre Französischkenntnisse und erweist sich als einfühlsame Zuhörerin für einen jungen Mitreisenden. Und sie hat den Mut, jene besagte große Liebe von einst aufzusuchen und zu konfrontieren, auch wenn ihr diese Begegnung letztendlich wohl nicht weiterhelfen wird. Mal wird das durchaus etwas grob gestrickt erzählt, dann aber kommen viele feine Nuancen zum Zuge, und Oplev nimmt sich ausreichend Zeit, um das Miteinander von Inger, Ellen und Vagn in allen Schattierungen zu beobachten. Dafür braucht es gute Schauspieler, und die gibt‘s hier natürlich in Hülle und Fülle, besonders Sofie Gråbøl ist extrem beeindruckend in ihrer Rolle, und allein ihre Darstellung hebt diesen Film weit über das übliche Niveau der Feelgood-Movies hinaus.

 

  Ein sehr schöner, gefühlvoller und bewegender Film für’s Herz, der das Leichte nicht lächerlich und das Schwere nicht unerträglich macht, und das gelingt in diesem Genre nicht allzu häufig. Umso erfreulicher, dass es diesmal so gelaufen ist. ˜˜˜˜ (4.10.)