Sonne und Beton von David Wnendt. BRD, 2023. Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer, Rafael Luis Klein-Hessling, Aaron Maldonado Morales, Luvre47, Johan Grewal, Lucio101, Jörg Hartmann, Leon Ullrich, Derman Eker, Franziska Wulff, Gerdy Zint

   Aufwachsen in Gropiusstadt im Zeitalter Gerhard Schröders: Links die Arabs, rechts die Kanaken, zuhause saufende Väter oder ruppige große Brüder, das heißt ständig Prügel von allen Seiten. Lukas, Gino und der schräge Julius versuchen irgendwie, zu überleben und ein bisschen was vom Kuchen abzukriegen, und als eines Tages der smarte Kubaner Sanchez in ihre Klasse kommt, wird aus dem Trio ein Quartett. Weil Lukas den Arabs dann ganz plötzlich 500 Euros schuldet, versucht die Clique, die Kohle zusammenzukriegen, was letztlich scheitert und zu einigen Blessuren führt, doch am Ende werden die vier vom Haken gelassen und können in den Neuköllner Sonnenuntergang reiten…

   Viele viele Jahre nach dem fabelhaften „Die Kriegerin“ und einigen sehr gemischten Beiträgen danach hat David Wnendt endlich mal wieder einen rausgehauen, einen vitalen, dynamischen, krachenden Milieufilm aus einem extrem rauen Viertel und zugleich eine Hommage an die Freundschaft, die hier allerdings sehr brüchig und mit Ausnahme des etwas abrupten Ausklangs höchst unstet wirkt und wenig von dem romantisierenden Buddy-Geist hat, der den gewöhnlichen Feelgood-Film prägt. Mit sehr viel  Solidarität kann Lukas nämlich nicht rechnen – Gino will vor allem genug Geld für sich und seine Mama zusammenkriegen, um dem grausigen Prügelpappi ein für allemal gen Italien zu entfliehen, Sanchez träumt ebenfalls von einem besseren Leben für sich und seine Mama, und Julius träumt von seiner Perle und vermutlich einem dicken Auto, und als die vier beschließen, die frisch angeschafften Schul-Computer aus dem Keller zu räumen und möglichst lukrativ zu verhökern, denkt keiner der anderen drei daran, seinen Anteil an Lukas abzutreten, damit der seine Schulden bei den Arabs tilgen kann. In dieser Welt muss jeder selbst sehen, wo er bleibt, und auch Lukas ist alles andere als ein Held und verdrückt sich eher, wenn‘s mal brenzlig wird, statt dem Freund beizustehen. Alle Instinkte sind auf Überleben programmiert, und wo das so ist, da gedeihen keine Vier Musketiere oder etwas in der Art.

 

   Zwischen herrlich komischen und krass bitteren Momenten findet Wnendt genau den richtigen Ton, weder zu nostalgisch noch zu frustrierend negativ, nicht zu simpel und naiv und auch nicht zu hoffnungslos und pessimistisch. Immer ganz nah dran an seinen Protagonisten, die von grandiosen jungen Schauspielern maximal echt rübergebracht werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass die selbst in diesem oder einem ähnlichen Milieu leben, so natürlich und authentisch wirken sie  mitsamt ihrer Sprache und ihrer Musik, die beide ein wesentlicher Bestandteil dieses sehr schönen und starken Films sind. Genau wie die Städtelandschaft zwischen Betonburgen und Drogenparks, die lange nicht mehr so eindrucksvoll und ernüchternd in Szene gesetzt wurde. Der olle Herr Gropius wird sich sicher schon des Öfteren in seinem Grabe umgedreht haben bei dem Anblick dessen, was man da aus seinen hehren Plänen gemacht hat. Alles in allem sind dies zwei tolle, spannende und mitunter auch ganz schön beklemmende Stunden aus einer Welt, von der ich in meinem braven, verschnarchten Bielefeld nicht mal im Entferntesten etwas ahne. ˜˜˜˜» (15.3.)