The old oak von Ken Loach. England/Frankreich/Belgien, 2023. Dave Turner, Ebla Mari, Claire Rodgerson, Trevor Fox, Chris McGlade, Col Tai, Jordan Lewis, Chrissie Robinson, Chris Gotts, Jen Patterson
Ob dies nun der beste oder der viert- oder siebt- oder zehntbeste Ken-Loach-Film ist, spielt keine Rolle. Ob dies einmal mehr naiver Sozialkitsch eines unverbesserlichen linken Idealisten ist, der immer nur das gleiche Mantra runterbetet, spielt auch keine Rolle. Sogar worum es in diesem neuen, vielleicht letzten seiner Filme geht, spielt nur eine untergeordnete Rolle, jedenfalls was mich betrifft. Wichtig ist vor allem, dass es diesen Film überhaupt gibt. Und wofür er einsteht. Und was er aussagt. Und dass sein Regisseur seine Haltung nach über fünfzig Jahren und über zwei Dutzend Spielfilmen noch immer unbeirrbar gegen alle Zeitströmungen und vielleicht auch wider besseres Wissen mit aller kompromisslosen Entschiedenheit vertritt und sich dabei auch in der Wahl seiner Mittel und seiner Gestaltung absolut treu geblieben ist. Das ist nicht nur große Kunst, das ist auch ziemlich einzigartig in der Filmlandschaft der letzten Jahrzehnte, aber auch das ist nicht das Wichtigste.
Das Wichtigste ist, so pathetisch es klingen mag, dass Loachs Filme nicht aufhören, ein Zeichen der Menschlichkeit, der Solidarität, der Freundschaft, des Vertrauens zu setzen in einer Zeit, in der es von all dem Genannten immer weniger gibt. Es mag vielen zu plakativ erscheinen, aber so ist Loach immer vorgegangen: Er hat den real herrschenden Verhältnissen seine Utopie als eine Art Gegenentwurf entgegengestellt, und indem er das getan hat, hat er zugleich eine Botschaft an das Establishment der Thatchers und Konsorten gerichtet. Genau dies tut er auch hier: Ehemalige Bergarbeiter in einer von Thatchers Brutalkapitalismus ausgebluteten, zermürbten und gedemütigten Gegend tun sich zusammen mit Flüchtlingen aus Syrien, gegen den erbitterten Widerstand jener, die keine Fremden wollen und deren Stimmen und Aktionen durchaus Gewicht haben. Doch es siegt – anders vielleicht als im wirklichen Leben zumeist – der Geist der Toleranz, der Verbundenheit, der Einsicht, dass gerade die vermeintlichen Verlierer unbedingt zusammenhalten müssen und den vermeintlichen Gewinnern nicht kampflos das Feld überlassen dürfen. Und darin allein liegt dann schon der Erfolg, auch wenn die allgemeinen Verhältnisse weiterhin gegen sie sprechen.
Loach verfolgt seinen Kurs nach wie vor mit bewundernswerter Klarheit. Er leistet sich in diesem Film die eine oder andere sentimentale Note (Hunde im Film sind immer ein Alarmsignal für mich), aber das Ganze stimmt, er hat Menschen und ihr Milieu wie immer perfekt zusammengebracht, er hat diese Menschen gesehen und ihnen zugehört und mittlerweile schon den dritten Film über diese Region im Norden Englands gemacht, die sich noch immer nicht erholt hat von den Erschütterungen in den 80ern. Wie immer besteht auch diesmal seine besondere Leistung darin, dass er seine Aussage nicht auf einen bestimmten Ort und eine bestimmte Zeit reduziert, sondern sie universell und zeitlos werden lässt – und gültig, was mich betrifft. Ein weiteres kostbares Werk in einem überaus kostbaren Œuvre, das seinesgleichen sucht und in all den Jahren immer ein verlässlicher Rettungsanker für alle unverbesserlichen Träumer und Idealisten geblieben ist. (30.11.)