Von morgens bis mitternachts von Karlheinz Martin. Deutschland, 1920. Ernst Deutsch, Roma Bahn, Erna Morena, Hans Heinrich von Twardowski, Lotte Stein, Frida Richard, Eberhard Wrede

   Die wunderschöne Ausgrabung eines lang vergessenen Klassikers des deutschen expressionistischen Films – und das mit dem Expressionismus ist hier sehr wörtlich zu verstehen: Gezackt ausgeschnittene Pappkulissen, wüst bekleckste Flatterkostüme, düster-wild geschminkte und bemalte Gesichter und jede Menge bizarrer, geradezu buñuelscher Visionen. Das sieht für uns heute faszinierend abenteuerlich (und vielleicht auch manches Mal unfreiwillig komisch) aus, war jedoch einst vor mehr als einhundert Jahren eine bedeutende und einflussreiche Kunstrichtung, und Filme wie dieser machen das auch sofort nachvollziehbar.

   Die Passionsgeschichte eines Bankkassierers, der von einer übelwollenden Sirene verlockt wird, nicht bei ihr landen kann, und dennoch seine Bank beklaut, Frau und Tochter und Mama verlässt und als steckbrieflich gesuchter Mann durch die Stadt streift, eine Stadt, die nur aus Kokotten und obskuren Bars und nicht minder obskuren Spielstätten zu bestehen scheint. Er landet schlussendlich bei der Heilsarmee, bereut seine Taten öffentlich, wirft den Menschen all das nutzlose Geld hin, das ihm kein Glück gebracht hat, und just als man hofft, es möge vielleicht doch ein gutes Ende mit ihm nehmen, wird er von einem Heilsarmeemädchen für schnöde fünftausend Märker an die Polizei verraten und setzt seinem Leben ein Ende, bevor er verhaftet werden kann.

 

   Es ist ein ebenso schräges wie großes Vergnügen, diesen Film anzuschauen, der voller fantastischer Verrücktheiten und Überraschungen steckt, in manchen Momenten extrem modern, dann wieder theatralisch und für heutige Sehgewohnheiten altbacken. Ich hatte für meinen Teil großen Spaß und war durchaus beeindruckt davon, wie konsequent hier die Ästhetik des Expressionismus in kühne Bilder übersetzt wird, und obwohl man vielleicht zu Recht bemerken könnte, der Film sei nicht viel mehr ein Produkt seiner Zeit, so ist er gleichzeitig ein bemerkenswertes Zeitdokument und natürlich auch eine herrlich skurrile Hommage an die sprichwörtlich wilden Zwanziger, die damals ja gerade erst begonnen hatten. ˜˜˜˜» (26.10.)