Gouzhen (Black Dog) von Guan Hu. China, 2024. Eddie Peng, Tong Liya, Jia Zhangke, Zhou You, Zhang Yi
Das ferne Peking wird just für die Olympischen Spiele aufgerüscht und soll wohl Chinas Status als Weltmacht zementieren, doch hier am Rande der Wüste wird dieser telegene Glamour niemals ankommen, im Gegenteil: Chixia ist eine Geisterstadt kurz vor dem totalen Abriss, denn sie soll woanders neu und schick aufgebaut werden, damit das Gesamtbild für die mediale Öffentlichkeit stimmt. Zurückgeblieben sind wenige Menschen und viele Hunde, die nun die Gegend beherrschen und eine Initiative auf den Plan rufen, die die Viecher fangen und wegsperren will, damit das Image keinen Schaden nimmt. In diese bizarre Szenerie kehrt Lang nach langer Gefängnisstrafe zurück. Er war hier einst eine Art Popstar und bestens bekannt, nun wird er vor allem von dem Vater seines vermeintlichen Opfers verfolgt, der Buße von ihm fordert, obwohl er bereits für Mord gesessen hat. Lang lässt sich zunächst von den Hundefängern rekrutieren, sabotiert die Aktionen jedoch immer wieder und freundet sich schließlich mit einem schwarzen Hund an, hinter dem sie alle besonders eifrig her sind. Er freundet sich auch mit einer Frau vom Zirkus an, doch mit Menschen kann er nicht ganz so gut. Er trifft seinen Vater wieder, der seit langem schon schwer krank ist und sterben wird, und dabei hilft Lang ihm. Der Hund stirbt schließlich auch, doch hat er sich zuvor noch mit einer Hündin eingelassen, und so kann Lang die Stadt am Schluss mit einem kleinen Nachkommen verlassen.
Bilder aus einem Paralleluniversum – das moderne, aufgeschlossene, strahlende Vorzeigechina der Propagandaspiele ist Lichtjahre entfernt, könnte ebensogut auf einem ganz anderen Planeten liegen. Land und Leute sind ausgebrannt, ausgeblutet, eine riesige verbrauchte Abraumhalde, die Stadt ist bereits halb verlassen und verfallen, die verbliebenen Bewohner sind daran gewöhnt, sich irgendwelchen Entscheidungen von oben zu beugen, zumal die Lautsprecher aus dunklen Mao-Zeiten noch immer allgegenwärtig sind und noch immer von der Tatkraft und den Erfolgen der Partei künden. Entsprechend rau geht es zwischen den Menschen hier zu, obwohl man sich auf manche Weise doch noch umeinander kümmert. Lang und sein schwarzer Hund sind Außenseiter, Streuner, nicht sesshaft, aber weil Lang sich im Umgang mit den vielen herrenlosen Viechern noch einen Rest Menschlichkeit erhalten hat, gerät er mit den lokalen Raufboden bald aneinander, ebenso wie mit dem Vater seines damaligen Opfers, der entweder Geld oder öffentliche Demut von ihm fordert und ihn in alle möglichen prekären Situationen bringt. Auf der anderen Seite lernt er die Frau vom Zirkus kennen, die von einem besseren Leben träumt, doch weil unser Held in den ganzen zwei Stunden nicht mal zwanzig Sätze zustande bringt, zieht die Dame schließlich unverrichteter Dinge alleine weiter. Viel besser kommt er mit dem wortlosen Verständnis zurecht, das ihn mit dem Hund verbindet, während er dem Redeschwall seiner Schwester am Telefon nur mit Schweigen begegnet und mit seinem früheren Ruhm als Bandleader scheinbar auch nicht mehr viel anfangen kann. In sehr ausdrucksstarken, manchmal schon surrealen Bildern wird diese Gesellschaft am Rande gezeigt, und es ist etwas überraschend, dass solch ein Film in China entstehen konnte, denn dies ist natürlich alles andere als ein Hurra-Werk, sondern eher eine spröde Ballade mit vielen Deutungsmöglichkeiten. Die massenhaft durch die Wüste ziehenden Hundemeuten hinterlassen einen bleibenden Eindruck, ebenso wie das menschenfeindliche Milieu in der Stadt oder die traumartige Sequenz der freigelassenen Zootiere, die zu den Klängen von Pink Floyds „The Wall“ durch die Trümmerstraßen geistern. Die Menschen haben sich angepasst, so wie sie sich immer und überall anpassen, und auch sie jubeln gewohnheitsmäßig, wenn die Liveübertragung aus Peking öffentlich ausgestrahlt wird. Vielleicht hoffen sie alle klammheimlich doch auf ein besseres Leben, nur scheint diese Möglichkeit sehr weit entfernt, eigentlich unerreichbar. Ein beeindruckender Film aus einem Land, dessen Gegenwartskino bei uns leider kaum präsent ist, und wie immer muss es eine Auszeichnung in Cannes oder sonstwo geben, um den heimischen Markt dafür zu öffnen. (23.12.)