Club Zero von Jessica Hausner. Österreich/England/Frankreich/BRD/Dänemark, 2023. Mia Wasikowska, Luke Barker, Ksenia Devriendt, Florence Baker, Samuel D. Anderson, Gwen Currant, Sidse Babett Knudsen, Amanda Lawrence, Elsa Zylberstein, Mathieu Demy, Keeley Forsyth, Lukas Turtur

   Miss Nowak ist neu als Lehrerin an der Privatschule für Kinder reicher Leute und sie schart sofort einen exklusiven Zirkel um sich, in dem es um Ernährung gehen soll – beziehungsweise in der Konsequenz um den Verzicht auf Ernährung, denn nachdem sie ihren Schülerinnen zunächst suggeriert, immer nur noch kleine Portionen zu sich zu nehmen, schwört sie einen kleinen verbliebenen Rest treuer Jünger darauf ein, überhaupt nichts mehr zu essen, um sich vollkommen frei von allen Zwängen zu machen, um neue Energien zu gewinnen und sich somit von jener großen Masse Menschen abzugrenzen, die unweigerlich dem Untergang geweiht sind. Eine Handvoll Schülerinnen sind gewillt, ihr zu folgen, die Eltern reagieren sehr spät, Miss Nowak wird zwar von der Schule verwiesen, doch ihr Einfluss bleibt erhalten, und am Ende sind vier oder fünf junge Menschen aus ihren Elternhäusern verschwunden auf dem Weg in eine „bessere“ Welt.

   Eine teilweise recht giftige Satire, die sich, und das ist zum Teil auch ein Problem, gegen so gut wie alles in der hier gezeigten Welt zu richten scheint: Manipulation, Dogmatismus, die vielen Religionen, die sich ums Essen entwickelt haben, auch die neue Religion der Nachhaltigkeit, die sterile Welt der Eliteschule mit sterilen Uniformen, sterilen Räumlichkeiten und sterilen Lehrkräften, die Lieblosigkeit und Kälte vieler Familien mit sterilen Einrichtungen, sterilen Esskulturen und sterilen Umgangsformen (ein einziges, etwas weniger begütertes Elternhaus fällt ein wenig aus dem Rahmen). Es ist leicht zu verstehen, wie es Miss Nowak gelingen kann, einige der jungen Leute zu sich herüberzuziehen, denn zuhause haben sie rein gar nichts, was sie diesem neuen Einfluss entgegensetzen könnten, keine Orientierung, keinen Halt, keine Liebe. Und dann ist es auch egal, dass sie eine völlig absurde, abwegige und letztlich suizidale Ideologie predigt – wenn man nur die richtigen Follower gefunden hat und selbst überzeugend genug ist, wird man auch die lebensfeindlichste Lehre vertreten können. Dabei ist Miss Nowak selbst durchaus kein Ausbund an Wärme und Empathie – Mia Wasikowska versteht es glänzend, die ganze gruselige Ambivalenz dieser Figur herauszuarbeiten, hinter deren freundlich-mädchenhaftem Lächeln sich auch nur eine Glaubensmaschine verbirgt, die stoisch und mechanisch ihr Dogma herunterspult, immer aber geschickt genug ist, um zu erspüren, wen sie womit einfangen kann. Sie hat besonders bei denen ein leichtes Spiel, deren Eltern wiederum aus dem Überfluss eine Religion gemacht haben, denen opulentes und üppiges Essen tagtäglich als Symbol ihres Erfolges und Wohlstandes gilt und die natürlich niemals akzeptieren würden, dass es zu diesem „Lebensentwurf“ auch eine Alternative geben könnte. Es gibt aber auch eine Mama, die selbst Essstörungen hat, sich aber dem Diktat ihres Gatten unterworfen hat und sich deshalb jeden Tag von neuem an eine reichhaltig gedeckte Tafel hockt.

 

   Jessica Hausner hat ihr Konzept ganz konsequent umgesetzt und durchgezogen, hat ihrerseits einen kühlen und sterilen Film gestaltet, hält sich und uns auf Distanz, lässt die Kamera häufiger mal von oben draufblicken und setzt die Musik als verfremdenden Kontrapunkt ein. Dies ist folglich eine jener Satiren, die es mir nicht erlauben, emotional irgendwo anzudocken, weder an einer der Personen noch an einer Idee, denn alles ist hier mehr oder weniger abstoßend, vielleicht mit der schon erwähnten Ausnahme von Bens Mutter, die als einzige so etwas wie gesunden Menschenverstand an den Tag legt und auch die bedrohlichen Ausmaße von Miss Nowaks wachsendem Einfluss als erste im Elternkreis offen zur Sprache bringt. Ich weiß selbst nicht ganz genau, ob mir eine gewisse innere Anteilnahme gefehlt hat – einige Momente waren durchaus zum Lachen, einige auch zum Fürchten, und das Lehrstückhafte der ganzen Konstruktion ist mir stets im Bewusstsein geblieben, also ist dies eher ein Kopf-Film, als ein Film, der mitgefühlt werden will, von genießen mal ganz zu schweigen. Und als solcher ist er zweifellos hervorragend inszeniert und geschrieben, eine starke, originelle Vision, und man muss sie wohl als solche sehen und verstehen. Wer einen engagierten, ideologisch expliziten Film erwartet, der sich in erster Linie ans Gefühl richtet, wird sich hier sicherlich nicht besonders wohl fühlen… ˜˜˜˜ (1.4.)