Chłopi (Das Flüstern der Felder) von Dorota Kobiela und Hugh Welchman. Polen/Litauen/Serbien 2024. Kamila Urzedowska, Robert Gulaczyk, Miroslaw Baka, Sonia Mietielica, Cyprian Grabowski, Małgorzata Kożuchowska, Sonia Bohosiewicz, Ewa Kasprzyk
Etliche Jahre nach „Loving Vincent“ haben Dorota Kobiela und Hugh Welchman ihr ganz besonderes künstlerisches Konzept noch einmal ausprobiert und sich diesmal einen alten polnischen, einst sogar mit dem Literaturnobelpreis belohnten Roman zur Vorlager gewählt (einen Roman, von dem ich zu meiner Schande noch zuvor gehört habe…). Ein wuchtiges, erdiges, archaisches Drama und Liebe, Hass, Neid, Macht, Leidenschaft, Bigotterie, Armut, Hochmut und Erniedrigung im Wechsel der Jahreszeiten und in einer ländlichen Gemeinschaft (wahrscheinlich irgendwann vor oder nach der vorletzten Jahrhundertwende), die geprägt ist von Frömmigkeit, engster sozialer Kontrolle, harter Arbeit und einer (wenn auch nur ganz kurz skizzierten) konfliktreichen Beziehung zum nächstgelegenen Gutshof, der offenbar die Macht über die Wälder und Ländereien der Gegend hat. Im Mittelpunkt steht Jagna, eine schöne junge Frau, die von allen Männern begehrt und deshalb von allen Frauen gehasst wird, die Antek liebt, der aber verheiratet und Familienvater und obendrein Sohn des reichsten Bauern des Dorfes ist. Just dieser Maciej ist auf der Suche nach einer neuen Frau, und er lässt ein Geld und seinen Landbesitz spielen, um Jagna zu kaufen und vor aller Augen eine prunkvolle Hochzeit zu feiern. Natürlich gehen damit die Schwierigkeiten erst so richtig los, denn Antek will seine Jagna nicht einfach loslassen, und Maciejs Kinder und Schwiegerkinder wollen ihr Erbe auch nicht so einfach loslassen, und am Ende, nach Maciejs Tod, wird Jagna mit Schimpf und Schande von einem höchst gewaltbereiten Mob aus dem Dorf gejagt und liegt splitternackt im Regen und im Dreck, doch sie erhebt sich und geht stolzen Blickes fort.
Man kann sich das sehr leicht als schwergängige Blut-und-Boden-Mär der klassischen Heimatfilmschule vorstellen, doch in dieser Form ist es natürlich wieder ein Fest für die Augen geworden, sozusagen ein bewegtes Tableau klassischer ländlicher Landschaftsmalerei. Jede einzelne Einstellung wurde offenbar real gefilmt und dann als Gemälde gestaltet und zu einer durchgängig fließenden, animierten Erzählung verarbeitet. Das ist vermutlich wahnsinnig viel Arbeit und ist faszinierend anzuschauen, stimmungsvolle, leuchtende Landschafts- und Jahreszeitimpressionen, expressive Gesichtsstudien, eine flirrende Dynamik, die die Geschichte auch über fast zwei Stunden trägt und spannend bleiben lässt. Wie schon im van-Gogh-Film haben es die beiden geschafft, einen nicht nur optisch sondern auch inhaltlich anspruchsvollen Film zu machen, denn so simpel und übersichtlich wie auf den ersten Blick sind die Verhältnisse hier im Dorf durchaus nicht, die Charaktere sind keineswegs eindimensional gezeichnet, und obwohl der sehr umfangreiche Roman sicherlich deutlich eingedampft worden ist, lassen sich die Absichten des Autors durchaus noch erkennen, auch wenn hier auf den Fall die Liebesgeschichte Jagnas in den Vordergrund gerückt wurde. Dennoch ist das Miteinander in der kleinen Dorfgemeinschaft stets präsent, die ungute Mischung aus tiefer Religiosität, Missgunst und übler Nachrede und die offenbar sehr menschliche Neigung, immer einen Sündenbock für alle Krisen zu brauchen, auf den man alles Leid abwälzen kann. Davon wissen wir in diesem unserem Lande ein Liedchen zu singen…
Wenn man sich also darauf einlässt - das ist allerdings Voraussetzung angesichts dieser sehr gewöhnungsbedürftigen Ästhetik -, macht man eine seltene und eindrucksvolle Kinoerfahrung, eine Verschmelzung zweier Künste, der Malerei und des Films, meinetwegen l‘art pour l‘art, aber was soll mich das kümmern, wenn ich solch schöne Bilder auf der großen Leinwand geboten bekomme. » (18.9.)