Führer und Verführer von Joachim A. Lang. BRD, 2024. Robert Stadlober, Fritz Karl, Franziska Weisz, Moritz Führmann, Dominik Maringer, Till Firit, Oliver Fleischer, Martin Bermoser, Emanuel Fellmer
Der etwas unangenehm belehrende und besserwisserische Text im Vorspann kündigt uns einen ganz neuen und authentischeren Blick auf die Protagonisten des Naziregimes an, die ansonsten angeblich immer nur dämonisiert und als Karikatur dargeboten werden. Damit hat der Regisseur in der Sache nicht mal Unrecht, Frage ist nur, ob er selbst es denn so viel besser macht. Frage ist auch, ob er seinem eigenen Anspruch gerecht geworden ist, und auf beide Fragen würde ich persönlich nicht uneingeschränkt mit „ja“ antworten. Im Übrigen schließen sich für mich noch weitere Fragen an: Ein „neuer“ Blick auf Hitler und Goebbels – kann es den überhaupt noch geben? Und: Braucht das irgendjemand???
Rein konzeptionell bietet dieser Film auf den ersten Blick wenig Neues. Er hakt in zweieinviertel Stunden die sieben letzten Jahre der Nazizeit ab 1938 ab: Den „Anschluss“ Österreichs, den Hitler-Stalin-Pakt, die Reichspogromnacht, den Kriegsausbruch, die zunehmend systematische Vernichtung der Juden, den Angriff auf Russland, das grauenvolle Wüten der Wehrmacht im Osten, den ersten militärischen Rückschlag, die Rede im Sportpalast, schließlich die Götterdämmerung im zerstörten Berlin zwischen Paranoia und Suizid. Statt sich vielleicht auch inhaltlich ein wenig zu konzentrieren, gibt’s das gewohnte Geschichtsprogramm, das uns dann auch noch mit dokumentarischen Szenen und Gesprächsfragmenten mit Überlebenden „angereichert“ wird. Gerade die haben meiner Ansicht nach in diesem Film nicht richtig Platz, sie können logischerweise nicht gebührend zur Geltung kommen und lenken mich auch von dem ab, was mich eigentlich an dem Film interessiert hat: Eine Untersuchung zum Thema Propaganda und ihre Wirkung und die Frage, wieso sie ausgerechnet in Deutschland damals einen so fatalen und immensen Erfolg haben konnte. Und da der Film eben soviel Stoff abzuarbeiten hat, wird dieser Aspekt zwar angerissen, aber niemals zufriedenstellend vertieft. Harlan taucht auf, Hippler, Jud Süß und Kolberg, wir bekommen einen kurzen Einblick in Goebbels‘ besondere Art und Weise, Reden zu konzipieren, die Medien zu benutzen, die öffentliche Meinung und die öffentlichen Emotionen zu lenken und zu manipulieren, und von diesen spannenden Momenten hätte ich mir noch deutlich mehr gewünscht. Der groteske Rosenkrieg mit Magda Goebbels zu Anfang ist zwar schön schräg, verpufft aber später, weil die Rolle Magdas im System und ihre Beziehung zu ihrem Mann nicht weiter verfolgt werden. Das name-dropping einige prominente Schauspieler betreffend bleibt gänzlich an der Oberfläche und verspielt eine weitere Chance, die komplexe Beziehung von Diktatur und Kunst im „Dritten Reich“ mit reinzunehmen, denn dazu hätte es auch im Zusammenhang mit Goebbels einiges zu sagen gegeben. Immerhin werden die wichtigsten Propagandafilme ein wenig eingehender angeschaut, auch im Hinblick auf die gegenseitige Beeinflussung der Demagogie.
Und was ist mit den beiden Hauptfiguren? Ich würde jetzt nicht sagen, dass Goebbels diesmal nicht als Karikatur erscheint. So wie Stadlober ihn spielt, ist er in sehr vielen Szene eine, und vielleicht kann das auch gar nicht anders sein. Das Konzept der Banalität, der Alltäglichkeit des Bösen muss vielleicht irgendwo haltmachen. Hitler ist, im Unterschied zu Bruno Ganz‘ Interpretation, verhältnismäßig dezent und überzeugend geraten, aber wirklich „privat“ erlebe ich diese beiden Männer auch diesmal nicht, sie sondern die bekannten Phrasen ab, und was mich betrifft, konnte dieser Film meinem Bild der beiden nichts hinzufügen. Das gilt auch für alle übrigen Aspekte der Geschichte, und da hatte ich schon etwas anderes erwartet. Bis auf ein paar kurze Momente, die andeuten, was vielleicht möglich gewesen wäre, gibt es nichts, das den hinreichend bekannten und vielfach schon verarbeiteten Kanon der Geschichtsschreibung ergänzen könnte. Wenn es denn um einen „originellen“ Zugang gehen soll, ist „The zone of interest“ diesen Film hier ein gutes Stück voraus. Und damit scheint mir, ist der gute Herr Lang doch ein Stückchen unter seinen eigenen Ansprüchen und Ankündigungen geblieben. (16.7.)