Bastarden (King’s Land) von Nikolaj Arcel. Dänemark/Schweden/Norwegen/BRD, 2023. Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Simon Bennebjerg, Melina Hagberg, Gustav Lindh,Kristine Kujath Thorp, Morten Hee Andersen, Thomas W. Gabrielsson, Jacob Lohmann, Søren Malling, Magnus Krepper, Felix Kramer

   Mitte des 18. Jahrhunderts ist das hyggelige Danmark noch gar nicht hyggelig, sondern zu einem Teil ziemlich unkultiviert, vor allem die sandige, notorisch unfruchtbare und feindselige Jütländische Heide trotzt erfolgreich allen Versuchen, sie urbar und bewohnbar zu machen. Der König hat schon etliche Männer darauf angesetzt, sie alle sind gescheitert, und als dann ein unbekannter Herr namens von Kahlen auftaucht, der lange im preußischen Heer gedient hat und den Auftrag selbstbewusst für sich beansprucht, zögern die Herrschaften in Kopenhagen lange, und erst als er verkündet, all dies aus seiner eigenen Tasche finanzieren zu wollen, wittern die machtgierigen Herren ein gutes Geschäft und stellen ihm im Falle seines Gelingens wie vom König verfügt einen Adelstitel und eine jährliche königliche Pension in Aussicht. Vor Ort schuftet von Kahlen wie ein Berserker, gerät jedoch alsbald in Konflikt mit einem lokalen Adeligen namens Schinkel, der das Land für sich beansprucht, obwohl es königlicher Besitz ist. Es beginnt ein zunehmend blutiger Kleinkrieg zwischen beiden Männern, an dessen Ende Schinkel tot ist und von Kahlen knapp mit dem Leben davonkommt. Er kann die Heide tatsächlich kultivieren, indem er dort die unverwüstlichen Kartoffeln anbaut, die er säckeweise aus Deutschland mitgebracht hat, doch hat er am Ende alle Menschen, die ihm je etwas bedeutet haben, verloren, und deshalb schießt er den so hart erkämpften Adelstitel und das königliche Siegel wieder in den Wind, befreit die Frau, die er liebt aus der Haft und reitet mit ihr ans Meer, dorthin, wohin sie sich immer schon gesehnt hat.

 

   Ein kraftvolles, wuchtiges und sehr imposant in Szene gesetztes Historiendrama, das den Standesdünkel, die Grausamkeit, Menschenverachtung und Willkür der Feudalherrschaft ebenso plastisch Szene setzt wie die sprichwörtliche toxische Männlichkeit der beiden Hauptpersonen, denn sowohl von Kahlen als auch sein Kontrahent Schinkel sind prägnante Beispiele dafür, auch wenn sie auf denkbar verschiedenen Seiten stehen. Schinkel ist ein widerwärtiger, sadistischer, hemmungslos grausamer und moralisch total degenerierter Drecksack, womöglich der Schlimmste unter Seinesgleichen, der gewohnt ist, sich zu nehmen, was er begehrt und dem ein Menschenleben rein gar nichts gilt, aber auch von Kahlen zeigt einen Fanatismus, der buchstäblich über Leichen geht und der ihn zwischendurch immer wieder vergessen lässt, was ihm eigentlich wichtig sein sollte, nämlich die wenigen Menschen, die zu ihm halten – die spröde Ann Barbara, ein  früheres Opfer Schinkels, die ihren Mann auf fürchterliche Weise verliert und das freche Zigeunermädchen Anmai Mus, das ihm später eine unentbehrliche Stütze wird, als die deutschen Siedler sämtlich mit Gewalt vertrieben sind. Dazwischen gibt‘s noch ein bisschen Siedlungs- und Kulturgeschichte und einen unschönen Einblick in die Gesellschaft der Perückenträger, sprich der Machthaber, ein abstoßender Haufen berechnender Männer, die von Kahlen abwechselnd sofort fallenlassen, als zu befürchten ist, dass er ihnen nicht das erhoffte Prestige einbringt, sich aber dann auch wieder in seinem Erfolg sonnen, als der König erfreut zur Kenntnis nimmt, dass es scheinbar doch jemandem gelungen ist, die Heide endlich zu kultivieren. In diesen Punkten ist der Film schön polemisch und giftig, zeigt klare Kante, und das gefällt mir. Was mir nicht ganz so gut gefällt, ist Nikolaj Arcels etwas zu effektbetonte Inszenierung, vor allem was die allzu ausufernden Gewaltszenen betrifft, aber auch in Hinblick auf die zum Teil etwas zu klischeehaft geratenen Charakterzeichnungen, die sehr dick auftragen, wo es gar nicht nötig gewesen wäre. Andererseits sind die Schauspieler durchweg erstklassig, vor allem Mads Mikkelsen zeigt einmal mehr sein großartiges Können im Umgang mit wortkargen, spröden, tragischen Charakteren, und die großen, atmenden Landschaftspanoramen sind gerade richtig für die breite Leinwand. Darüber hinaus gibt die Geschichte Einblick in eine Zeit, die ganz und gar nichts Romantisches an sich hat, die vielmehr gekennzeichnet ist durch schreiende Standesunterschiede mit bitterster Armut auf der einen und obszönem Überfluss auf der anderen Seite. Wie schon oben gesagt – hyggelig ist da noch nichts im Staate Dänemark. Eine alles in allem etwas zurückhaltendere Gangart hätte diesen Film für mein Empfinden trotzdem noch viel besser gemacht, so aber ist immerhin ein durchgängig spannendes, eindrucksvolles und auch historisch interessantes Kinostück entstanden, das uns in eine ferne Zeit zurückversetzt, da Dänemark noch nicht der Deutschen liebste Ferienkolonie war, sondern zum Teil tatsächlich noch wildes, von Barbaren in Adelskostümen beherrschtes Land, das erobert werden wollte, ganz wie der Wilde Westen… ˜˜˜˜(15.6.)