Lola von Andrew Legge. Irland/England, 2022. Stefanie Martini, Emma Appleton, Rory Fleck-Byrne, Hugh O’Connor
Vorneweg erstmal ein kurzes Prosit auf das neue Filmjahr in der nimmermüden Erwartung vieler anregender und aufregender und von mir aus auch einfach mal schöner Kinomomente…
„Lola“ wird wohl leider nicht zu den Top Ten in 2024 gehören, obwohl mein ewiger Mitstreiter und ich uns darin einig waren, dass wir uns sicherlich auch am Ende dieses Jahres noch an den Film erinnern werden, ganz einfach weil er durchaus außergewöhnlich ist, und zwar in mehrerer Hinsicht – was aber eben nicht immer gleichbedeutend ist mit außergewöhnlich gut.
Die Ausgangsposition ist ebenso reizvoll wie originell: In einem verlassenen Haus in Sussex wird ein uralter Film gefunden, und den sehen wir uns jetzt an. Ein schrebbeliges knisterndes flackerndes kleinformatiges Schwarzweißding, eine Montage vieler kleiner Schnipsel, die uns etwas vom Leben der Hanbury-Schwestern Mars und Thom erzählen. Die beiden sind früh verwaist, nachdem Paps im Krieg geblieben und Mama unglücklich verunglückt ist. Die ältere Thom hat die jüngere Mars von klein auf durchgebracht, und sie ist immer noch diejenige, die sagt, wo es langgeht. Eine Freidenkerin und geniale Erfinderin, und die Krönung ihres Schaffens hat sie nach ihrer Mutter „Lola“ genannt – eine Maschine, die Signale aus der Zukunft empfängt. Es fängt an mit David Bowie und Major Tom, aber da wir das Jahr 1940 schreiben, ahnt man schon, dass die Dinge eine andere, weniger verspielte Richtung nehmen werden. (Schade, kann ich nur sagen.) „Lola“ hat großen Erfolg, als Thom mit ihrer Hilfe dafür sorgt, dass die deutschen Angreifer mehrmals entscheidend besiegt werden, und sie lässt schließlich auch zu, dass das Militär in die Sphäre der Schwestern eindringt und sich die Erfindung dauerhaft zunutze macht. Die Dinge nehmen eine erneute Wendung, als Thom auf eine Täuschung der Nazis hereinfällt und die Deutschen daraufhin anfangen, die Insel zu erobern. Die Schwestern werden getrennt, Mars kann fliehen, Thom wird verhaftet, entgeht aber der Hinrichtung, weil die deutschen Sieger rechtzeitig eingreifen und sich nun ihrerseits Thoms mitsamt ihrer Erfindung künftig bedienen. Thom wird ein Star im neuen faschistischen britischen Reich, und Mars, die im Untergrund leben muss, sieht hilflos zu. Schließlich versucht Mars doch, ihre Schwester davor zu bewahren, sich total vor Hitlers Karren spannen zu lassen. Alles geht schief, Thoms stirbt, aber Mars hofft ein letztes Mal darauf, dass „Lola“ möglicherweise den Gang der Dinge noch einmal verändern kann.
Was als witzige, verspielte und versponnene Anarchofantasie im Found-Footage-Stil beginnt, wandelt sich alsbald in ein düsteres Weltuntergangsszenario, dem jeder Spaß restlos vergeht, und so versandete auch die anfangs durchaus fröhliche Stimmung im Saal deutlich spürbar rasch in vager Beklommenheit. Statt eines charmanten Spiels mit Historie und Fiktion und dem ewigen Menschheitstraum von der Veränderbarkeit der Geschichte gibt’s die Horrorvision eines allmächtigen Nazireichs, aber die ist weder neu noch sonderlich einfallsreich und erst recht nicht komisch. Eine Nummer kleiner hätte es auch getan, und ganz sicher hätte sich eine andere Möglichkeit gefunden, das Für und Wider einer Zukunftsmaschine wie der „Lola“ zu veranschaulichen. Mich für meinen Teil hat der Film irgendwann in der Mitte verloren, und vor allem hat er seine beiden fabelhaften Hauptpersonen verloren, was ziemlich unverzeihlich ist, denn auch die beiden Darstellerinnen sind fabelhaft, und ich hätte viel lieber ihrem Miteinander noch ein wenig mehr zugeschaut als der zunehmend fahrigen Erzählung aus dem besetzten Britannien. (Vielleicht liegt’s auch nur daran, dass die irischen Filmemacher gerade das besonders genossen haben, die Vorstellung eines von Hitler eroberten England…)
Folglich legt der erste Film des neuen Jahres die Messlatte nicht allzu hoch, will sagen: Es gibt noch Luft nach oben… » (3.1.)