May December von Todd Haynes. USA, 2023. Natalie Portman, Julianne Moore, Charles Melton, Piper Curda, Elizabeth Yu, Gabriel Chung, Andrea Frankle, Cory Michael Smith

   Nach mehreren guten bis sehr guten bis hervorragenden Werken ist dies nun der erste Todd-Haynes-Film, der mich ganz und gar nicht interessiert hat. Ich könnte ihn nicht mal schlecht nennen, denn das ist er ganz gewiss nicht, er ist mir einfach nicht nahe gekommen, weder die Story noch die handelnden Personen. Zwei Stunden lang habe ich zunehmend teilnahmslos zugesehen und mein Interesse am möglichen Fortgang der Handlung schwand langsam aber sicher dahin. Ich würde das weder der Inszenierung noch den Darstellerinnen und auch nicht der schön stimmungsvoll körnigen Fotografie zuschieben, sondern hauptsächlich dem Drehbuch, seinem Thema und seinem Unvermögen, mich in irgendeiner Weise zu bewegen, zu beschäftigen. Sowas kommt vor.

   Eine renommierte Schauspielerin besucht eine Frau, die sie in einer kommenden Independentproduktion porträtieren soll. Diese Frau geriet einst in die Schlagzeilen und mit der Justiz in Konflikt, weil sie als Erwachsene eine Beziehung zu einem dreizehnjährigen Jungen anfing und mit ihm später eine Familie gründete, während sie zugleich ihren ersten Mann und ihre erste Familie verließ. Die Schauspielerin klinkt sich nun für einige Zeit in das Leben dieser neuen Familie ein, die in Savannah wohnt und anscheinend in der Nachbarschaft gut gelitten ist. Sie befragt zusätzlich ein paar Menschen, die die Geschichte ebenfalls kennen und begleitet haben, den Ex-Mann beispielsweise oder den Rechtsanwalt und erhält ein insgesamt sehr widersprüchliches Bild. Ebenso zwiespältig ist ihr Eindruck von der Frau selbst, ihrem jungen Ehemann und ihrer Stellung in der lokalen Community. Am Ende gären auch ernstere Konflikte, doch dann reist die Schauspielerin ab und dreht ihren Film.

 

   Während mir Julianne Moores Gracie fast vollkommen fremd bleibt, hat Natalie Portman wenigstens die Gelegenheit, ihrer Elizabeth ein wenig auf den Grund zu gehen. In der spannendsten und besten Szene des Films liest sie einen alten Brief von Gracie an ihren jungen Geliebten und eignet sich dabei bereits Gracies Sprechweise an. Eine eindrucksvoll fiese Szene, die von einer fast obszönen Übergriffigkeit, einer parasitären Aneignung zeugt, die kurz zuvor etwas überdeutlich in dem Moment kulminiert, da Elizabeth Gracies Mann verführt, einfach weil sie es kann und weil sie sich vielleicht auf diese Weise ein Stück dieser für sie so unbegreifbaren Person einzuverleiben versucht. Das sind aber auch schon die einzigen Filmminuten, denen ich ein überdurchschnittliches Interesse entgegenzubringen vermochte, während das übrige Geschehen mehr oder minder an mir vorbeilief, ungeachtet der sehr betont ausgestellten Kunstfertigkeit der beiden Hauptdarstellerinnen und ungeachtet einer Regie, die sich eigentlich bestens aufs Zwischenmenschliche versteht, die aber diesmal offensichtlich nicht den geeigneten Stoff zur Verfügung hat und deren eigentliches Talent für sehr intensive, konzentrierte und zurückhaltend emotionale Momente diesmal einfach nicht zur Geltung kommt. Ob als Familienfilm oder Gesellschaftsporträt oder Psychodrama, der Funke springt nicht zu mir über, das ist manchmal so, das lässt sich auch nicht immer erklären, und darum versuch ich‘s auch gar nicht erst und schließe mit der Hoffnung, dass mich der nächste Film von Todd Haynes wieder mehr überzeugt als dieser.˜˜˜ (5.6.)