Priscilla von Sofia Coppola. USA/Italien, 2023. Cailee Spaeny, Jacob Elordi, Dagmara Dominczyk, Ari Cohen, Tim Post, Lynne Griffin
Die Geschichte von Priscilla und Elvis Presley ist an sich nichts, was mich ins Kino locken könnte (immerhin – Tom Hanks taucht nicht auf…). Und auch die Tatsache, dass Priscilla selbst unter den Produzentinnen zu finden ist, scheint mir nicht sonderlich vertrauensbildend zu sein. Andererseits aber ist Sofia Coppola eine Regisseurin, der ich immer eine Chance geben würde, also ging ich hin und habe das auch nicht bereut.
Der Filmtitel ist per se erstmal irreführend, denn natürlich geht es nicht um Priscilla an sich, es geht nur um Priscilla im Zusammenhang mit Elvis. Der Film beginnt praktisch damit, dass sie ihn kennenlernt, und er endet in dem Moment, da sie Graceland und ihren Ehemann verlässt, und alles, was danach mit ihr geschieht, ist kein Thema mehr. Die Jahre zwischen 1959 und 72 sind das Thema, das vierzehnjährige schoolgirl, das in Deutschland den derzeit dort stationierten Elvis kennenlernt, und später die Mutter Mitte, Ende Zwanzig, die dem goldenen Käfig, in dem er sie Zeit ihres Zusammenlebens gehalten hat, endgültig entflieht. Das Machtgefälle zwischen den beiden ist von Beginn an eklatant, allein optisch, denn er scheint fast doppelt so groß zu sein wie sie (tatsächlich ist der Schauspieler wohl auch ein gutes Stückchen länger als der echte Elvis es war). Falls dies ein gewollter Schachzug des Castingteams war, so war es ein recht cleverer, wie ich finde, denn er verdeutlicht die enorm ungleichen Verhältnisse in dieser Beziehung. Das schüchterne, völlig unerfahrene Mädchen, das im typisch erzkonservativen amerikanischen Army-Umfeld der 50er Jahre erzogen worden ist, und der zehn Jahre ältere Kerl, der bereits ein großer, allseits umschwärmter und begehrter Superstar und ihr natürlich in jeder Hinsicht weit voraus ist. Dennoch gibt er sich sanft, rücksichtsvoll, einfühlsam, nähert sich dem Mädchen behutsam, geht respektvoll mit Mom + Dad um und lockt sie dennoch alsbald rüber zu sich nach Graceland, wo sie eine völlig neue Welt erfährt und wo der vergötterte Elvis alsbald auch andere Charakterzüge zutage kommen lässt. Darum, und um ihre Versuche, damit irgendwie zurechtzukommen, sich immer wieder zu arrangieren sich, ihre Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche hintenanzustellen, soll es in den knapp zwei Stunden vorrangig gehen. Auch um die Höhen und Tiefen, über die schönen, leichten, lebensfrohen Momente, die mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt werden von einer Atmosphäre der Beklemmung, der Einengung, der Bevormundung, letztlich der latenten, wenn auch selten offen hervorbrechenden Gewalt. Besonders dafür hat Sofia Coppola ein brillantes Händchen, und so sind diese Szenen, die ganz intimen nur zwischen den beiden, die besten des Films, die vermitteln mit eindrucksvoller Intensität das Gefühl einer zunehmend unguten und letztlich toxischen Zweisamkeit, die eben keine ist, denn Elvis ist entweder der Mann im Rampenlicht, der Star, dem zahlreiche Affären angedichtet werden, oder er ist der Privatmann, als solcher jedoch ein Egozentriker und Neurotiker, der nichts und niemanden neben sich duldet. Die Ehefrau hat zuhause zu bleiben, dort auf ihn zu warten, ihm dekorativ zur Verfügung zu stehen und sich ganz seinen jeweiligen Interessen zu fügen (Drogen, Esoterik, Guruquatsch). Ihre sexuellen Bedürfnisse werden ebenso ignoriert wie ihre immer wieder geäußerten Versuche, eigene Entscheidungen zu treffen und überhaupt mal ein eigenes Leben zu führen. Er ist mal sanft, dann wieder jähzornig und bedrohlich, wird seinerseits vollständig von Colonel Parker beherrscht und gelenkt und braucht wohl selbst auch jemanden, den er ebenso vollständig beherrschen und lenken kann. Ob nun beabsichtigt oder nicht – die Figur Elvis dominiert den Film über weite Strecken, so wie er vermutlich auch ihr Leben dominiert hat. Sie bleibt mehr oder weniger ein leeres Gefäß, was sie in dieser Konstellation vielleicht auch war, was aber andererseits auch sehr wenig Stoff für Auseinandersetzung bietet. Sie spiegelt Elvis‘ jeweilige Gemütszustände, sie reagiert immer nur, bis sie ganz zuletzt endlich mal die Initiative ergreift. Dennoch bleibt sie als Charakter, als Mensch für meinen Geschmack ein wenig zu vage, und das ist schon ein Problem, weil der Anspruch ja eigentlich sein sollte, uns ein wenig über die Priscilla nahezubringen. Als eigenständiger, vom übermächtigen Schatten des Herrn Presley unabhängiger Charakter taucht sie hier aber nicht auf, und das empfinde ich schon als grundlegende Schwäche im Konzept. Coppola macht das teilweise wett durch ihre starke Inszenierung und die ruhige Eindringlichkeit vieler Szenen, und der Film ist auf jeden Fall eine notwendige Ergänzung zu Baz Luhrmans Elvis-Film, aber insgesamt finde ich schon, dass Sofia Coppola schon interessantere Stoffe in den Händen hatte… (7.1.)